Zeitung beklagt „Datenschutz-Irrsinn“
Sollen Namensschilder an Millionen von Haustüren verschwinden?
Eine Boulevardzeitung macht ihre Titelseite mit der Schlagzeile „Datenschutz-Irrsinn: Unsere Klingel-Schilder sollen weg!“ auf. Unter der Überschrift heißt es: „Deutschland droht ein Wirrwarr an Millionen von Haustüren. Schon bald könnten die Namensschilder am Klingelschild verschwinden – und durch anonyme Zahlen ersetzt werden. Schuld ist eine EU-Verordnung zum Datenschutz.“ Im eigentlichen Artikel auf der nächsten Seite wird dann erläutert, Schuld an dem drohenden Chaos sei die EU-Datenschutzgrundverordnung, die jetzt in ganz Europa gelte und die Privatsphäre aller Bürger schützen solle. Ob darunter auch ein Name auf einem Klingelschild falle, sei unklar. Deshalb wolle der Immobilienverband Haus & Grund seinen 900.000 Mitgliedern empfehlen, die Namensschilder bei vermieteten Wohnungen abzuschrauben. Mit seiner Empfehlung folge Haus & Grund einem Vorgehen der Wiener Firma „Wohnen“. Ein Leser der Zeitung sieht in der Berichterstattung einen Verstoß gegen Ziffer 2 des Pressekodex (Journalistische Sorgfaltspflicht). Die Zeitung betreibe auf ihrer Titelseite Irreführung. Sowohl die EU-Kommission als auch die Datenschutzbeauftragte der Bundesrepublik dementierten die Aussage, dass aus Datenschutzgründen Klingelschilder anonymisiert werden müssten. Ohne Nachfrage bei verantwortlichen Stellen würde die Leserschaft falsch informiert. Die Zeitung suggeriere, dass der Datenschutz Irrsinn sei. Das Beispiel – so der Beschwerdeführer – sei sachlich unbegründet und nicht hinterfragt. Nach Ansicht des auf die Beschwerde antwortenden Chefredakteurs genüge die Berichterstattung allen Anforderungen an die Einhaltung der journalistischen Sorgfaltspflicht. Der Vorwurf der Irreführung sei nicht nachvollziehbar. Im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers suggeriere der Artikel schon gar nicht, dass Datenschutz im Allgemeinen „Irrsinn“ sei. Der Bericht beziehe sich nur auf den „Irrsinn“ in Form der Unsicherheit der Bürger und Rechtsanwender im Zusammenhang mit der neu geschaffenen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Der Vorwurf, die Redaktion informiere ihre Leserinnen und Leser falsch, sei haltlos, so der Chefredakteur. Sämtliche Informationen im Artikel basierten auf Tatsachen. Der Autor schreibe ausdrücklich, dass unklar sei, ob ein Name auf einem Klingelschild überhaupt unter die DSGVO falle. Die rechtlichen Interpretationen der EU-Kommission und der Datenschutzbeauftragten im Nachgang zu dem Bericht könnten nichts daran ändern, dass es die geplante Empfehlung und die dadurch entstandene Verwirrung tatsächlich gegeben habe.