Wann ist die Nennung „relevant“?
„Besoffener Pole“ zieht einen Experten-Streit nach sich
„Besoffener Pole rastet mehrmals im Bahnhof aus“ – unter dieser Überschrift berichtet eine Boulevardzeitung über einen Zwischenfall. Eine Passage in dem Beitrag lautet so: „Ein betrunkener Pole (35, 1,39 Promille) bittet abends drei DB-Sicherheitsleute im Hauptbahnhof, beim Kauf einer Fahrkarte zu helfen. Als er das Ticket in den Händen hält, rastet er aus, verlangt sein Geld zurück, schlägt um sich. Bundespolizisten nehmen ihn fest, bringen ihn zur Wache. Später darf er gehen, rastet wieder aus. In einer S-Bahn stößt er eine Frau grundlos zur Seite. Andere Reisende gehen dazwischen. Eine Frau wird von dem Polen im Gesicht getroffen. Der Schläger wird erneut festgenommen, dem Haftrichter vorgeführt.“ Ein Leser der Zeitung ist der Meinung, für den Tathergang sei es völlig irrelevant, ob der „Besoffene“ nun Pole, Ire, Jude, Deutscher oder Afrikaner sei. Er – ein Pädagogik-Professor - bemühe sich, bei seinen Studierenden gerade diese Frage deutlich zuzuspitzen: Wann ist Religion bzw. Nationalität wirklich relevant? Wann aber sei sie irrelevant und die Nennung im negativen Kontext begünstige das, was juristisch als „Volksverhetzung“ benannt sei? Genau dies geschehe im vorliegenden Fall. Die Rechtsvertretung der Zeitung widerspricht dem Vorwurf der Diskriminierung. Es gehe – anders, als der Beschwerdeführer zu suggerieren versuche – bei Ziffer 12 nicht darum, wann die Nennung der Nationalität „relevant“ sei oder nicht. Entscheidend sei in diesem Fall, dass selbst die ermittelnde Bundespolizei die Nationalität des wohnsitzlosen Mannes in ihrer Pressemitteilung – und das sogar in der Überschrift - erwähnt habe. Es wäre – auch presseethisch - nicht zu vertreten, die Redaktion zu verpflichten, hinter der behördlichen Presseerklärung zurückzubleiben.