„Stadt in Angst und Schrecken versetzt“
Redaktion rechtfertigt Nennung von Herkunft und Asylbewerberstatus
Gedruckt und online berichtet eine Regionalzeitung auf der Basis einer Polizeimeldung darüber, dass marokkanische Asylbewerber vor dem Bahnhof einer Stadt im Verbreitungsgebiet der Zeitung mehrere Straftaten verübt hätten. Genannt werden gefährliche Körperverletzung, Beleidigung von Polizeibeamten und sexuelle Belästigung eines 17-jährigen Mädchens. Im Beitrag werden der Asylbewerberstatus und die Nationalität der Männer dreimal erwähnt. Das trifft auf den Widerspruch eines Lesers der Zeitung. Er sieht keinen begründbaren Sachbezug für die Angabe von Nationalität und Asylbewerberstatus und vermutet daher einen Verstoß gegen Ziffer 12 des Pressekodex (Diskriminierungen). Die Zeitung schüre Vorurteile. Der Chefredakteur der Zeitung berichtet, dass sich unter rund 660 Asylbewerbern in der örtlichen Erstaufnahmestelle knapp 100 Menschen aus den Maghreb-Staaten befunden hätten. Ein gutes Dutzend Flüchtlinge aus Marokko habe sich extrem auffällig verhalten und die Stadt in Angst und Schrecken versetzt. Allein in einem Monat seien etwa hundert Delikte auf das Konto dieser Gruppe gegangen. Die Polizei habe sich gezwungen gesehen, eine Sondereinheit zu bilden. Um nicht alle tausend in der Stadt lebenden Ausländer in Misskredit zu bringen, habe sich die Redaktion entschlossen, in begründeten Einzelfällen speziell die Marokkaner zu nennen. Bei kleineren Delikten würden Nationalität und Asylbewerberstatus generell nicht genannt, obwohl die Polizei mittlerweile dazu übergegangen sei, diese Angaben häufiger in ihre Meldungen aufzunehmen. Im konkreten Fall seien so viele Straftaten zusammengekommen, dass die Redaktion die kritisierten Angaben für erforderlich gehalten habe.