Ein Foto regt weltweit Diskussionen an
Der tote Aylan am türkischen Strand – ein Dokument der Zeitgeschichte
Eine überregionale Tageszeitung beschäftigt sich mit dem Gefühl der Empathie, das die derzeitige Flüchtlingsdebatte beherrscht. Zum Beitrag gestellt ist ein Bild, das um die Welt ging. Es zeigt den vierjährigen syrischen Jungen Aylan, der auf der Flucht ertrank und dessen Körper am Strand des türkischen Bodrum angeschwemmt wurde. Der Junge ist von der Seite zu sehen. Weitere Bilder beschäftigen sich mit dem Projekt eines indischen Künstlers, der die Pose des am Strand liegenden Jungen nachgestellt hat. Außerdem berichtet die Zeitung über Demonstrationen und Aktivtäten von Menschen in aller Welt. Diese halten Plakate hoch, auf denen der tote Aylan zu sehen ist. Außerdem zeigt die Redaktion eine Szene aus dem US-Senat in Washington: Der Republikaner John McCain mit dem Bild des toten Jungen. Eine Leserin kritisiert die Veröffentlichung der Bilder des Ertrunkenen. Sie sieht ethische Grundsätze verletzt, so Ziffer 1 (Achtung der Menschenwürde), Ziffer 8 (Schutz der Persönlichkeit) und Ziffer 11 (Unangemessen sensationelle Berichterstattung) des Pressekodex. Das vom Unglück betroffene Kind werde durch die Berichterstattung und die Veröffentlichung des Fotos noch einmal zum Opfer, diesmal eines der Neugier. Die Rechtsabteilung der Zeitung berichtet von ausführlichen Diskussionen innerhalb der Redaktion. Der Chefredakteur habe Lesern geantwortet, die sich mit diesem Problem an die Redaktion gewandt hätten. Auf der einen Seite habe die Frage gestanden, ob man einem Toten die Würde nehme, wenn man ihn in der Zeitung abbilde. Auf der anderen Seite sei es der Zeitung wichtig gewesen zu zeigen, welche Diskussionen das Foto ausgelöst habe. Ein Bild und seine Geschichte – da müsse das ursprüngliche Foto ebenso gezeigt werden wie Bilder, auf denen zu sehen ist, was die Abbildung rund um die Welt ausgelöst habe.