Wertung ist von Meinungsfreiheit gedeckt
Stadtverordnete wird in einem Kommentar hart angegriffen
Ein Bauvorhaben in einer Stadt des Verbreitungsgebiets ist Thema eines Kommentars, der in der örtlichen Zeitung erscheint. Darin wird eine namentlich genannte Fraktionsangehörige der Grünen als „überheblich und uninformiert“ bezeichnet. Auch ihr Verhalten in einer öffentlichen Sitzung wird kritisiert. Die so beschriebene Frau ist in diesem Fall die Beschwerdeführerin. Sie wendet sich gegen mehrere – aus ihrer Sicht falsche – Sachbehauptungen. Vor allem jedoch sieht sie eine Ehrverletzung nach Ziffer 9 des Pressekodex. Sie übe das Mandat der Stadtverordneten ehrenamtlich aus. Die persönliche Diffamierung schädige ihr öffentliches Ansehen auf unangemessene Weise. Die Darstellung, sie sei überheblich und uninformiert, sei nicht an politischen Inhalten orientiert, sondern an der rein subjektiven, spekulativen und destruktiven Persönlichkeitswahrnehmung der Journalistin. Im Kontext des Kommentars habe sie online beleidigende Nachrichten erhalten. Die Beschwerdeführerin wirft der Zeitung vor, ein Teil der Berichterstattung habe einen rein sensationellen Charakter und vernachlässige die Darstellung des politischen Themas, nämlich des Bauvorhabens. Der stellvertretende Chefredakteur stellt fest, der von der Beschwerdeführerin beanstandete und eindeutig als Meinungsbeitrag gekennzeichnete Kommentar verstoße nicht gegen presseethische Grundsätze. Hier würden keine Meldungen, Gerüchte oder Vermutungen verbreitet. Es handele sich vielmehr um eine persönliche Wahrnehmung der geschilderten Situation. Die Autorin des Standpunkts bleibe bei der Wahrnehmung, so wie sie sie geschildert habe. Als Stadtverordnete stehe die Beschwerdeführerin in der Öffentlichkeit. Kritik an ihrem Verhalten in einer öffentlichen Sitzung sei Aufgabe der freien Presse und stelle weder eine persönliche Diffamierung und auch keine persönliche Ehrverletzung nach Ziffer 9 des Pressekodex dar. Die Ziffer 11, auf die sich die Beschwerdeführerin ebenfalls berufe, beschäftige sich vor allem mit Gewalttaten oder Unglücksfällen und sei deshalb zur Beurteilung dieses Falles nicht heranzuziehen.