Zeitung unterstellt Staatsanwalt Falschaussagen zu Vorgehen gegen Kinderschänder
Eine Boulevardzeitung veröffentlicht einen Bericht über einen vorbestraften Sexualstraftäter, der wenige Wochen nach seiner letzten Haftentlassung ein zehnjähriges Mädchen missbraucht haben soll. Aktueller Anlass des Berichts sind „Irritationen um Aussagen der Staatsanwaltschaft“. Die Zeitung wirft der Behörde vor, sie habe noch vor dieser Tat einen neuerlichen Haftbefehl gegen den Mann „erhoben“, aber habe dieses Dokument noch tagelang „in der Schublade“ liegen lassen. In der Zwischenzeit habe der Vorbestrafte das Mädchen missbraucht. Zum zeitlichen Ablauf zitiert die Zeitung den Leitenden Oberstaatsanwalt. Demnach habe die Staatsanwaltschaft den Haftbefehl bereits am Freitag, 8. September, beim Amtsgericht erhoben. „Aber“, so die Zeitung weiter: „Das Amtsgericht hatte die Akte tagelang nicht vorliegen. Wäre sie, z.B. per Boten, rechtzeitig angekommen, hätte die Entführung und der Missbrauch des zehnjährigen Opfers vielleicht verhindert werden können. Die Tat war am Montag, 11. September.“ Laut Zeitung soll ein Stempel belegen, dass die Akte am 13. September noch immer bei der Staatsanwaltschaft gelegen habe. Nach Angaben des Amtsgerichts sei die Verfahrensakte der Staatsanwaltschaft mit Anklageschrift und Haftbefehlsantrag erst am 14. September bei Gericht eingegangen, also drei Tage nach der Tat. Beschwerdeführer ist der von der Zeitung namentlich genannte und im Foto gezeigte Leiter und Pressesprecher der Staatsanwaltschaft. Die Zeitung habe wahrheitswidrig behauptet, die Behörde habe bereits am 8. September beim Amtsgericht einen Haftbefehl erhoben. In Wirklichkeit sei Anklage erhoben worden (wegen Verstößen gegen die Führungsaufsicht nach der letzten Haftentlassung des Mannes), verbunden mit einem Antrag auf einen Haftbefehl. Die Anklageschrift samt Haftbefehlsantrag habe natürlich auch nicht in einer „Schublade“ seiner Behörde gelegen. Über den Zeitpunkt der Anklageerhebung habe er der Zeitung die Wahrheit gesagt. Maßgeblich sei die Verfügung, mit der die Anklageschrift in den Geschäftsgang gegeben werde. Der zuständige Oberstaatsanwalt habe diese Anklagebegleitverfügung am 8. September unterschrieben und die Akte in den „Abtrag“ gelegt, von wo aus sie von dem Wachtmeister des Landgerichts abtransportiert worden sei. Gemäß Strafprozessordnung erhebe die Staatsanwaltschaft öffentlich Klage durch ihre Einreichung. Auf den Zeitpunkt des Eingangs bei Gericht komme es nicht an. Die Zeitung habe ihm völlig haltlos unterstellt, gelogen zu haben. Vergeblich habe er von der Redaktion eine unverzügliche Richtigstellung, eine Entschuldigung und eine adäquate Entschädigung wegen der zu Unrecht verursachten Rufschädigung verlangt. Trotz dieser Hinweise habe der Redakteur die Falschbehauptungen „Haftbefehl gegen Kinderschänder lag vor!“ und „Angaben des Gerichts widersprechen Staatsanwaltschaft" wiederholt. Die Zeitung habe somit gegen drei Ziffern des Pressekodex verstoßen: gegen die Sorgfaltspflicht, gegen die Pflicht zur Richtigstellung und gegen den Schutz der Ehre. Als Leiter einer Staatsanwaltschaft, deren Ansehen ganz wesentlich von Objektivität abhängig sei, könne er nicht hinnehmen, als Lügner hingestellt zu werden. Weil die Falschbehauptung trotz seines Hinweises wiederholt worden sei, gehe er davon aus, dass auch der Tatbestand der Verleumdung verwirklicht sei. Die Zeitung will zu den Anschuldigungen vorerst keine Stellung nehmen, da die Staatsanwaltschaft offenbar erwäge, gegen die Redaktion ein Ermittlungsverfahren wegen der erwähnten Delikte zu eröffnen.