Erschreckendes Dokument der Zeitgeschichte
Der kleine Aylan am Strand von Bodrum: Ein erschütterndes Foto
Der vierjährige Aylan aus Syrien stirbt auf der Flucht. Sein kleiner Körper wird an der türkischen Küste bei Bodrum an den Strand gespült. Ein Fotograf macht das Foto, das um die Welt geht. Kaum ein Medium weltweit, dass sich nicht mit dem tragischen Geschehen befasst hätte, so auch die Online-Ausgabe eines Nachrichtenmagazins. Dessen Chefredakteur kommentiert. Der Beitrag enthält das Foto. Die entsprechende Textpassage lautet: „Der Junge ist tot. Die Welt dreht sich weiter. Nicht bei uns. Jedenfalls nicht heute. Der Junge am Strand wird den ganzen Tag bei uns zu sehen sein. Ganz oben. 24 Stunden. Passiere, was wolle. Denn sein Recht auf ein Leben wurde ihm genommen. Dann hat er zumindest das Recht, noch einmal gesehen zu werden.“ Zwei Leser der Zeitschrift sehen mit der Berichterstattung und dem Kommentar presseethische Grundsätze verletzt. Durch die pietätlose Zurschaustellung werde die Ehre des toten Kindes verletzt. Es handele sich um Sensationsjournalismus um vieler Klicks willen, auch wenn der Text etwas Anderes suggeriere. Das Foto eines toten Kindes hätte nicht veröffentlicht werden dürfen. Die Rechtsabteilung der Zeitschrift stellt aus ihrer Sicht fest, dass dies kein Fall einer unangemessen sensationellen Darstellung von Gewalt, Brutalität und Leid sei. Das Foto dokumentiere ein grausames Geschehen, den Tod eines Kindes. Dies geschehe nicht auf sensationslüsterne oder voyeuristische Weise. Auch werde das Opfer nicht herabgewürdigt. Der Betrachter begegne ihm vielmehr mit Mitgefühl und Entsetzen angesichts des Schicksals, das im nahöstlichen Flüchtlingsdrama so vielen Menschen widerfahren sei. Das Foto des kleinen Aylan belege auf tragische Weise das absolute Versagen der Politik. Es sei somit ein erschreckendes Dokument der Zeitgeschichte. Die Wirklichkeit, die dieses Bild wiedergebe, möge schwer zu ertragen sein. Dennoch bewege sich die Berichterstattung im Rahmen der Grenzen des Pressekodex.