Entscheidungen finden

Vermutungen als Tatsachen dargestellt

Boulevardzeitung bezeichnet Angeklagten als „linken Chaoten“

Eine Boulevardzeitung berichtet unter der Überschrift „Linker Chaot greift Polizisten bei Abschiebung an“ über ein Gerichtsverfahren gegen den Abschiebe-Gegner Jan. S. Der Autor beschreibt den vermeintlichen Tathergang. Eine Leserin der Zeitung sieht im Begriff „linker Chaot“ einen Kodexverstoß. Sie kritisiert auch Passagen im Text. Dort heißt es, es habe Handgreiflichkeiten gegeben, Polizisten seien getreten und geschlagen, neun Beamte seien verletzt worden. Einer der Hauptakteure sei Jan S., linker Aktivist und Dauergast bei Demos, gewesen. Diese Ereignisse – so die Beschwerdeführerin – hätten so nicht stattgefunden. Das habe der Richter in seinem Urteil festgestellt. Die Staatsanwaltschaft habe Jan S. weder einen tätlichen Angriff noch Körperverletzung oder versuchte Körperverletzung nachweisen können. Jan S. sei auch nicht deshalb verurteilt worden, sondern wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Der Sinn der Gerichtsverhandlung und deren Ergebnis würden entstellt. Die Zeitung unterstelle auch, dass die erwähnten Taten begangen worden seien. Damit sei der Tatbestand der Vorverurteilung erfüllt. Die Schilderungen der einzelnen Vergehen basieren auf unbestätigten Vermutungen eines Polizeibeamten, so dass in diesen Fällen die journalistische Sorgfaltspflicht verletzt worden sei. Der Chefredakteur versteht die Aufregung der Beschwerdeführerin nicht. Sie behaupte, dass die geschilderten Taten nicht stattgefunden hätten. Im Gegensatz dazu stelle er fest, dass die Berichterstattung korrekt gewesen sei. Dies folge schon schlicht daraus, dass wegen der Eskalation gegen mehrere Demonstranten wegen Körperverletzung ermittelt worden sei. Auch andere Medien hätten in diesem Sinne berichtet. Dass sich Jan S. tatsächlich wegen Körperverletzung strafbar gemacht hatte, werde von der Zeitung nicht behauptet. Es würden lediglich der Vorwurf der Staatsanwaltschaft gegen Jan S. sowie der Ausgang des Verfahrens geschildert. Jan S. sei auch mitnichten „unschuldig“. Immerhin sei er zu einer Geldstrafe von 2.700 Euro wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte verurteilt worden. Dass Jan S. durch die wahrheitsgetreue Berichterstattung herabgewürdigt werde, sei abwegig.