Entscheidungen finden

Foto eines Sterbenden verletzt die Menschenwürde

Trotz Verpixelung hätte Boulevardblatt ein sterbendes Unfallopfer nicht zeigen dürfen

Eine Boulevardzeitung berichtet online über einen Autounfall, bei dem der 83-jährige Fahrer im Auto eingeklemmt wurde. Ein Foto zeigt, wie ein Rettungssanitäter den im Autowrack sitzenden Unfallfahrer versorgt, dessen Gesicht verpixelt ist. Im Beitrag heißt es: „Es ist ein Bild, das zu Herzen geht: Ein Retter hält die Hand eines Verunglückten, der in seinem Auto eingeklemmt ist. Er spricht ihm Mut zu. Obwohl er weiß, dass er dem Mann nicht mehr helfen kann. Wenig später ist der Unfallfahrer tot.“ - Die Beschwerdeführerin kritisiert, dass die Redaktion das teilweise verpixelte Foto eines sterbenden Unfallopfers zeige. Die Redaktion missachte damit die Menschenwürde und den Schutz der Persönlichkeit. - Die Zeitung weist die Vorwürfe zurück. Das Opfer sei auf dem Foto vollständig unkenntlich gemacht worden. Der „keineswegs reißerisch, sondern einfühlsam formulierte Beitrag“ dokumentiere einen „Moment großer Menschlichkeit in der Arbeit von Rettungskräften“. Es gehe in dem Artikel nicht um die Person des anonymisierten Opfers, sondern um die berührende Menschlichkeit und Warmherzigkeit, die der Retter dem Opfer zuteilwerden lasse, um ihm in den letzten Momenten seines Lebens Hoffnung und Geborgenheit zu vermitteln. Die Berichterstattung zeige, welch schweren und zugleich wichtigen Job die Rettungskräfte verrichteten. Ohne Zweifel bestehe daran ein öffentliches Berichterstattungsinteresse. - Der Beschwerdeausschuss spricht eine öffentliche Rüge aus. Ausschlaggebend hierfür ist das Foto in Verbindung mit der Überschrift „Sanitäter hält die Hand des sterbenden Opfers“. Dadurch werden die Leserinnen und Leser dazu eingeladen, am Moment des Sterbens teilzuhaben. Trotz der Verpixelung ist diese Darstellung mit dem Schutz der Menschenwürde nach Ziffer 1 des Pressekodex nicht vereinbar und geht über die Grenzen des öffentlichen Interesses hinaus. Auch mit Blick auf die Gefühle der Angehörigen des Opfers war die Darstellung zu beanstanden. Das nachvollziehbare Anliegen der Redaktion, die bedeutsame Arbeit der Rettungskräfte zu dokumentieren, muss bei dem Foto gegenüber der Achtung vor der Menschenwürde zurückstehen.