Druck auf die Redaktion wegen eines Prozesses
Inselbewohner haben oft noch ein Frauenbild aus der Zeit der Walfänger
Eine Lokalzeitung berichtet über den Prozess gegen einen 39-Jährigen wegen Vergewaltigung von zwei seiner Lebensgefährtinnen. Befragt wurden während des Prozesses Freunde, Bekannte und Familienmitglieder des Angeklagten und der Klägerinnen. Der Mann wurde zu einer Haftstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Zwei Leserinnen der Zeitung kritisieren die Berichterstattung. Die Beschreibung der Sexualpraktik während der Vergewaltigungen sehen sie als einen Verstoß gegen den Opferschutz nach Ziffer 8 des Pressekodex. Der Chefredakteur der Zeitung verteidigt die Autorin des kritisierten Beitrages gegen die Vorwürfe. Sie habe ihrer ethischen Verantwortung im Hinblick auf den Opferschutz voll entsprochen und eben nicht über Sexualpraktiken geschrieben, obwohl diese das dominierende Thema in der Gerichtsverhandlung gewesen seien. Da es in der Anklage um eine Vergewaltigung und erzwungenen Analsex gegangen sei, sei es für die Kollegen unvermeidbar gewesen, diese beiden Begriffe zu erwähnen. In der aufwändigen Verhandlung sei indes fortwährend und sehr detailreich von allen möglichen Sexualpraktiken die Rede gewesen. Diese habe die Redaktion, wissend um ihre Verantwortung, nicht erwähnt. Die Beteiligten seien am Ort sehr bekannt. Die Vergewaltigungsvorwürfe seien schon vor dem Prozess Gesprächsthema gewesen. Im Zusammenhang mit der Prozessberichterstattung habe die Redaktion so viel Druck bekommen, wie sie ihn bisher noch nicht bei einem solchen Verfahren erlebt habe. Die mutmaßlichen Vergewaltigungen hätten sich auf einer kleinen Insel abgespielt, wo jeder jeden kenne. Der Angeklagte sei dort in mehreren Vereinen engagiert gewesen. Viele der Alteingesessenen hätten ein Frauenbild, das noch aus der Zeit der Walfänger herrühre.