Trotz Haft Shoppen und Spaziergang
Boulevard-Zeitung berichtet über Schlecker-Sohn im offenen Vollzug
„Hier bummelt der Schlecker-Sohn durch Berlin“ – so überschreibt eine Boulevardzeitung online einen Artikel. Darin wird mitgeteilt, dass der Sohn des einstigen Drogerie-Ketten-Besitzers, der zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt worden war, sich im offenen Vollzug befinde. Zum Bericht gestellt sind zwei Fotos, die Lars Schlecker beim Einkaufen bzw. beim Spaziergang mit seiner Frau zeigen. Eine Leserin der Zeitung sieht eine Verletzung des Persönlichkeitsschutzes von Lars Schlecker. Seine Resozialisierung habe Vorrang vor dem öffentlichen Interesse an einer Berichterstattung. Der Chefredakteur der Zeitung nimmt zu der Beschwerde Stellung. Er meint, vor allem bei spektakulären Geschehnissen und – so wie im Fall Schlecker – in Fällen von schwerem Betrug und einer hohen Zahl von Geschädigten habe die Öffentlichkeit ein besonderes Interesse daran, von den Medien umfassend, durchaus auch personalisierend mit Fotos über die Aufarbeitung des Unrechts durch die Strafverfolgungsbehörden informiert zu werden. Der Chefredakteur betont den Grundsatz, dass zur Gewährleistung einer erfolgreichen Resozialisierung nur eine eingeschränkte Berichterstattung über verurteilte Straftäter und ihre Taten presseethisch zulässig sei. Eine Veröffentlichung von Namen, Fotos und anderen Angaben begegne aber keinen presseethischen Bedenken, wenn im Einzelfall das berechtigte Interesse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen überwiege. Dies sei hier der Fall. Anlass der Berichterstattung sei nämlich – so der Chefredakteur – nicht der Haftantritt oder das Verbüßen der Strafe von Lars Schlecker, sondern die mehr als „lockeren“ Haftbedingungen, über die man durchaus geteilter Meinung sein könne. Trotz tausender Betroffenen und Opfer seiner Straftaten genieße der Verurteilte schon kurz nach Haftantritt erhebliche Lockerungen im Strafvollzug und bewege sich wiederholt völlig entspannt in der Öffentlichkeit. An der Frage, ob es im Fall von Straftaten wohlhabender Konzern-Erben möglicherweise einen „Promi-Bonus“ für das Verbüßen ihrer Haftstrafen gebe, bestehe ein hohes Interesse der Öffentlichkeit. Insofern dürfe die Presse ihre Berichterstattung auch bebildern. Sie müsse es sogar tun, weil die Fotos das öffentliche Interesse gewissermaßen verkörpern, dem Leser also den Berichterstattungsanlass („Promi-Bonus“?) überhaupt erst vor Augen führen.