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Einen Verdacht als Tatsache bezeichnet

Zum Zeitpunkt der Berichterstattung standen Israelis nicht als Täter fest

Ein Nachrichtenmagazin berichtet online über gewalttätige Auseinandersetzungen im Westjordanland. Überschrift: „Jüdische Siedler zünden Haus an: Palästinensisches Kleinkind stirbt bei Anschlag“. Die Eltern seien schwer verletzt worden, und auch der ältere Bruder des getöteten Jungen habe im Krankenhaus behandelt werden müssen. Israelische Sicherheitsbehörden vermuten die Brandstifter in Kreisen militanter jüdischer Siedler. Das Magazin berichtet, nach Angaben der israelischen Armee seien Vermummte in das Dorf Duma zwischen Nablus und Ramallah gekommen. Sie hätten Häuser mit hebräischem Graffiti beschmiert. Darunter sei auch das Wort „Rache“ gewesen. Dann hätten sie die Fenster eingeworfen und Brandsätze in die Gebäude geworfen. Israels Premier Netanjahu sei von der „entsetzlichen Tat“ schockiert gewesen. Staatspräsident Rivlin habe an arabische Medien geschrieben und bekannt, dass Israel jüdischen Terrorismus offenbar nicht hart genug geahndet habe. Eine Leserin des Nachrichtenmagazins sieht einen Verstoß gegen Ziffer 13 des Pressekodex (Vorverurteilung). In Überschrift und Text würden israelische Siedler der Tat bezichtigt. Noch sei nicht bewiesen, wer die Brandstiftung begangen habe. Die Ermittlungen liefen noch. Trotzdem komme es zu einer Vorverurteilung. Die Redaktion hätte von „mutmaßlichen Tätern“ schreiben müssen. Die Nachrichtenchefin der Online-Ausgabe nimmt zu der Beschwerde Stellung. Die Beschwerdeführerin könne Recht haben. Viele Online-Dienste hätten in gleicher Weise über die Anschläge im Westjordanland berichtet. Diese Berichterstattung gehe auf die Meldung einer angesehenen Nachrichtenagentur zurück. Dort habe es bereits im Einleitungssatz geheißen, jüdische Siedler hätten die Anschläge begangen. Zehn Tage später seien neun jüdische Siedler im Zusammenhang mit den Übergriffen festgenommen worden. Die Nachrichtenchefin räumt ein, dass zum Zeitpunkt der Veröffentlichung lediglich der Verdacht bestanden habe, dass jüdische Siedler die Palästinenser-Häuser attackiert hätten. Das habe die Redaktion in einer überarbeiteten Fassung des Artikels deutlich gemacht und die Änderung in einer Anmerkung am Ende des Textes erläutert.