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Generalverdacht nach Mutmaßungen

Redaktion berichtet von zu späten Stimm-Auszählungen bei einer Wahl

Eine Regionalzeitung veröffentlicht einen Kommentar, der lokale Probleme bei der Auszählung von Stimmzetteln zur Bundestagswahl thematisiert. Der Beitrag veranlasst einen Leser der Zeitung zu einer Beschwerde. Er kritisiert, auf Kosten des Ansehens von Menschen mit Behinderungen seien ehrenamtlich tätige Wahlhelfer in bewusst abwertender Form der Lächerlichkeit preisgegeben worden. Die Zeitung schreibe von leidvollen Erfahrungen, die man schon im zurückliegenden Landtagswahlkampf gemacht habe. Damals habe das Auszählen der Stimmen fast nicht enden wollen. Weder im Kommentar noch in der Berichterstattung würden Fakten genannt, warum es zu einer angeblich verspäteten Bekanntgabe der Wahlergebnisse gekommen sei. Die Beschwerde wurde in der Vorprüfung als offensichtlich unbegründet bewertet. Die im Kommentar zum Ausdruck kommende Meinung des Autors mag strittig sein. Sie sei jedoch hinreichend von der grundgesetzlich garantierten Presse- und Meinungsfreiheit gedeckt. Die Kritik an den Wahlhelfern sei zu akzeptieren, da diese durch die Berichterstattung nicht identifizierbar seien. Der Beschwerdeführer legt Einspruch gegen die Entscheidung ein. Nach seiner Meinung bleibe die Unterstellung von Zählfehlern eine einsame Unterstellung des Autors. Dieser habe Zählfehler bislang nicht glaubwürdig nachgewiesen. Dass keinerlei Namen von Wahlhelfern oder Stimmbezirken genannt würden, mache den Vorgang nur noch schlimmer. Es stünden alle Wahlvorstände unter Generalverdacht, der nur auf Mutmaßungen eines Journalisten beruhe. Der Chefredakteur der Zeitung nimmt zu der Beschwerde Stellung. Er weist darauf hin, dass der fragliche Kommentar sicherlich provoziere, doch sei er von der Presse- und Meinungsfreiheit gedeckt. Die Redaktion habe dem Beschwerdeführer ein Gesprächsangebot gemacht, worauf dieser aber nicht eingegangen sei. Dass der Beschwerdeführer pauschal behaupte, dass die Chefredaktion auf seine Kritik nicht eingegangen sei, könne man nicht nachvollziehen. Jederzeit seien der Chefredakteur und seine Kollegen aus der Lokalredaktion bereit, den Gesprächsfaden wieder aufzunehmen.