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Einen Mord in New York im Detail gezeigt

Boulevardzeitung wiederholt mehrmals Darstellung eines Sterbenden

Ein Mann wird in New York am helllichten Tag beim Überqueren eines Zebrastreifens aus einem Auto heraus erschossen. Eine deutsche Boulevardzeitung berichtet online über den Fall. Die Redaktion zeigt Ausschnitte aus einem Überwachungsvideo, das das spätere Opfer mit seiner sechsjährigen Tochter beim Überqueren der Straße zeigt. Ein Pfeil zeigt auf das Auto, das neben den beiden herfährt und dessen Fahrer eine Pistole aus dem Fenster hält. Nach einem Schnitt ist dann zu sehen, wie der Mann auf die Straße fällt und sterbend die Arme bewegt. Das Kind rennt weg. Die Szenen werden mehrfach wiederholt. Vorneweg blendet die Redaktion diese Warnung ein: „Achtung! Folgende Szenen könnten auf manche Zuschauer verstörend wirken“. Ein Leser wendet sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Das Video zeige die Ermordung eines Menschen im Detail. Der Gang des Mannes über den Zebrastreifen, die Annäherung des Täters im Auto, die Schussabgabe, die letzten Bewegungen des Opfers – alles werde im Video gezeigt. Das den Mann begleitende sechsjährige Kind, dessen Angst und seine Flucht seien ebenfalls im Video zu sehen. Der Beschwerdeführer sieht die Persönlichkeitsrechte der beiden verletzt. Das Justiziariat des Verlags hält die Beschwerde für unbegründet. Das Video sei vom New York Police Department veröffentlicht und 335.000 Mal angesehen worden. Es sei für jedermann in der ganzen Welt zugänglich gewesen. Der ermittelnde Polizist habe die Bevölkerung um Mithilfe bei der Fahndung nach dem Mörder gebeten. Die Redaktion verwahre sich – so das Justiziariat – gegen den Vorwurf der Sensationsberichterstattung. Der berichtete Mord spiegele die Realität wieder: Die zunehmende Verrohung der US-Gesellschaft. Das Polizei-Video werde von der Redaktion in einen zeitgeschichtlichen Kontext eingeordnet. Damit sei die Wiedergabe weit entfernt von einem Verstoß gegen die Presseethik