Grundlage für Tatsachenbehauptung fehlt
Interview-Frage an Erdogan geht von unbewiesenen Fakten aus
„Sie sollten erst einmal nachschlagen, was das ist, ein Diktator!“ – so überschreibt eine politische Wochenzeitung ein Interview mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Der Interviewer wird unter anderem wie folgt wiedergegeben: „Die Bundesregierung geht davon aus, dass es eine Verschwörung von Teilen der Gülen-Bewegung gab, sie aber nicht zentral von der Gülen-Bewegung gesteuert wurde. Es war ein Putsch von Gülen-Mitgliedern, Kemalisten und Opportunisten. Daran waren nicht mehr als 8000 Soldaten beteiligt. Das ist der Erkenntnisstand der deutschen Dienste.“ Ein Leser der Zeitung wendet sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Da ihm die von dem Interviewer behauptete Position der Bundesregierung unbekannt gewesen sei, habe er versucht, die Quelle für diese Information in Erfahrung zu bringen. Der Versuch sei gescheitert, so dass er bis zum Beweis des Gegenteils davon ausgehe, dass der Journalist seine Behauptung unter grober Verletzung des Gebotes der Sorgfalt, wahrscheinlich auch des Gebotes der Wahrhaftigkeit aufgestellt habe. Soweit ihm, dem Beschwerdeführer, bekannt sei, liege für die Öffentlichkeit als Information über den „Erkenntnisstand der deutschen Dienste“ allenfalls ein Interview in einem Nachrichtenmagazin mit dem BND-Präsidenten Bruno Kahl vor. Die von Kahl bezogene Position entspreche in keiner Weise dem vom Interviewer behaupteten „Erkenntnisstand der deutschen Dienste“. Die Rechtsvertretung der Wochenzeitung trägt vor, entgegen der Kritik des Beschwerdeführers werde in dieser Frage in zulässiger Weise die Schlussfolgerung formuliert, wovon die Bundesregierung ausgehe und auf den „Erkenntnisstand der deutschen Dienste“ Bezug genommen. Bereits im März 2017 habe der BND-Präsident sich auch im Fernsehen eindeutig dahingehend geäußert, dass der BND und die anderen Nachrichtendienste nicht von einer Steuerung des Putsches durch Gülen ausgingen.