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Mutter und Kind vor einfahrenden ICE gestoßen

Boulevardzeitung berichtet korrekt über schweres Verbrechen

Eine Boulevardzeitung berichtet online unter der Überschrift „Menschen waren leichenblass, haben geweint“ über eine Gewalttat im Frankfurter Hauptbahnhof. Ein Mann habe eine Frau und deren achtjähriges Kind vor einen einfahrenden ICE gestoßen. Das Kind sei gestorben. Die Zeitung lässt mehrere Zeugen zu Wort kommen. Unter einer neuen Überschrift geht es um den mutmaßlichen Täter. Dieser komme Polizeiangaben zufolge aus Eritrea. Ein Leser der Zeitung kritisiert, dass die Redaktion übertrieben sensationell berichtet habe. Sie unterstreiche dies durch pietätlose Zitate von Zeugen. Außerdem nenne die Zeitung die Herkunft des Verdächtigen, ohne dass die entsprechende Relevanz für die Tat erkennbar sei. Der Chefredakteur der Zeitung weist die Vorwürfe zurück. Nach dem Pressekodex sei es der Presse ausdrücklich aufgetragen, über Straftaten zu berichten. Aufgrund der Art und Dimension der in diesem Fall begangenen Straftat überwiege eindeutig das Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Bei dem beanstandeten Bericht handele es sich lediglich um eine nachrichtliche, chronologische Schilderung eines Geschehens von besonderem öffentlichem Interesse. Im Übrigen seien die Zeugen-Zitate keineswegs pietätlos. Vielmehr trügen sie zur Aufklärung des Tathergangs bei und seien Teil einer informativen, authentischen Berichterstattung. Einen Verstoß gegen die Ziffer 11 des Pressekodex (Sensationsberichterstattung/Jugendschutz) vermag der Chefredakteur nicht zu erkennen. Ähnliches gelte für den Vorwurf der Diskriminierung nach Ziffer 12 des Pressekodex. Die Erwähnung des Herkunftslandes des Tatverdächtigen sei nicht diskriminierend, sondern schlicht Teil der Nachricht.