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Vergewaltigtes Mädchen ist identifizierbar

Rechtsabteilung des Verlages: Schutz der Persönlichkeit gewahrt

„Mädchen (9) nach der Schule abgefangen und vergewaltigt“ – unter dieser Überschrift berichtet eine Boulevardzeitung online über eine Sexualstraftat in einer Kleinstadt. Der Täter sei noch nicht gefasst. Der Mutter des Mädchens seien dessen Verletzungen aufgefallen. Die Zeitung schreibt: „Das Mädchen war zu Besuch bei der Mutter, wohnt aber sonst in einer betreuten Wohngruppe. Ihre Mutter ist wegen einer Bindungsstörung nicht in der Lage, das Kind in Obhut zu haben.“ Das Kind habe der Polizei gegenüber erzählt, es sei nach der Schule zu seiner Wohngruppe aufgebrochen. In einem Park hätten Männer auf einer Bank gesessen und Bier getrunken. Einer von ihnen habe es ins Gebüsch gezerrt. Eine Leserin der Zeitung kritisiert, dass das Kind aufgrund der vielen persönlichen Informationen wie Name des Horts, Wohnverhältnisse, Name der Schule, Alter etc. identifizierbar werde. Die Rechtsvertretung des Verlages steht auf dem Standpunkt, dass die Identität des Opfers nach Ziffer 8, Richtlinie 8.2, des Pressekodex ausreichend gewahrt worden sei. Vor allem habe die Redaktion bewusst auf die Nennung des Namens des Opfers sowie auf die Veröffentlichung von Fotos verzichtet. Allein die wenigen genannten Merkmale dürften wohl kaum ausreichen, um das Mädchen zu identifizieren. Die Tatsache, dass sich die Tat in einer Kleinstadt ereignet habe, könne keinen Verstoß gegen den Pressekodex begründen. Die beanstandete mangelnde Anonymisierung – so die Rechtsvertretung weiter - sei per se presseethisch unerheblich. Der Artikel sei nämlich am selben Tag aus dem Internet-Angebot genommen und durch eine erheblich umgeschriebene Version ersetzt worden. Nach Zweifeln der Redaktion an der Richtigkeit der ersten Meldungen und aufgrund neuer Informationen aus Polizeikreisen sei die Berichterstattung freiwillig und frühzeitig korrigiert worden. Die neue Version verzichte auf identifizierende Merkmale.