Schutz der Opferinteressen überwiegt
Prominenz der Tochter macht Beteiligte eines Dramas identifizierbar
„Ehedrama mit vielen offenen Fragen“ titelt eine Regionalzeitung online. Es geht um eine Familientragödie, bei der eine Frau ums Leben gekommen sei. Es sei unklar, ob der Ehemann seine Frau getötet und dann versucht habe, sich selbst umzubringen. Möglicherweise hätten aber auch beide gemeinsam aus dem Leben scheiden wollen. Der Mann sei mittlerweile außer Lebensgefahr. Er habe jedoch noch nicht vernommen werden können. Die Tochter der beiden und eine Tante hätten die tote Mutter und den schwer verletzten Vater in deren Wohnung aufgefunden. Der Oberstaatsanwalt – so berichtet die Zeitung – gehe davon aus, dass sich die Frau erhängt habe oder erdrosselt worden sei. Der Ehemann soll danach versucht haben, sich die Pulsadern aufzuschneiden. Allerdings weise auch er am Hals Stranguliermerkmale auf. Die Redaktion nennt den Ort und den Namen der Straße, in der sich das Drama abgespielt habe. Sie erwähnt das Alter der Betroffenen. Schließlich nennt die Zeitung in einer früheren Version des Artikels den Namen der Tochter, die im Verbreitungsgebiet der Zeitung als Leichtathletin weithin bekannt sei. Zwei Leser der Zeitung wenden sich mit einer Beschwerde an den Presserat. In einer anfänglichen Version des Artikels sei der volle Name der Tochter, einer bekannten Leichtathletin, genannt worden. Dies sei inzwischen korrigiert worden. Durch das Posten des Artikels auf Facebook habe die Berichterstattung mit dem identifizierenden Bestandteil jedoch bereits zahlreiche Leser erreicht. Der Chefredakteur der Zeitung berichtet, zunächst sei über einen kollektiven Suizid spekuliert worden. Dann aber habe sich schnell gezeigt, dass vermutlich der Ehemann den Suizid seiner Frau nur vorgetäuscht und sich selbst Verletzungen zugefügt habe, um von einem Tatverdacht gegen ihn abzulenken. Inzwischen werde an der Mordanklage gegen den in Haft befindlichen Mann gearbeitet. Wegen der außergewöhnlich schweren und in Art und Dimension außergewöhnlichen Tat habe sich die Redaktion anfangs entschlossen, die familiären Zusammenhänge darzustellen und den Namen der Tochter – einer bekannten Sportlerin - zu nennen. Wegen der daraus entstehenden heftigen Diskussion in der Öffentlichkeit habe sich die Redaktion jedoch dazu entschlossen, den familiären Zusammenhang aus dem Online-Artikel zu löschen.