Vorwurf: Mit toten Babys nach Clicks gefischt
Boulevardzeitung berichtet über eine Flüchtlingstragödie in Libyen
„Flüchtlingsboot in Libyen gekentert“ – unter dieser Überschrift veröffentlicht eine Boulevardzeitung online drei große Fotos von Helfern, die ertrunkene Babys auf dem Arm halten. Mit einem dieser Fotos wird der Artikel auf Facebook angerissen. Eine Leserin der Zeitung übt Kritik daran, dass ein nahezu inhaltsleerer Artikel mit unethischen Bildern zum Reißer gemacht werde. Das sei reines Clickbaiting (Fischen nach Clicks). Bei Facebook fänden sich Menschenverachtendes und purer Hass. (Anmerkung der Geschäftsstelle des Presserats: Einige Nutzer haben den Artikel mit einem Smilie kommentiert und den Eltern der toten Babys die Verantwortung zugeschrieben, dass diese ihre Kinder mit auf so ein Boot nähmen.) Der Chefredakteur der Zeitung weist den Vorwurf des Clickbaiting mit Nachdruck zurück. Die Fotos seien berührend und schrecklich. Doch sie stünden auch als Sinnbild für eine der größten humanitären Krisen unserer Zeit. Es sei Aufgabe der Presse, über die „ungeheuren Dramen“ zu berichten, die sich im Mittelmeer abspielten. Ein presseethisches Dogma, demzufolge über das Elend der Flüchtlingskrise nicht auch personalisierend anhand von individuellen Kinderschicksalen berichtet werden dürfe, gebe es nicht. Anders als von der Beschwerdeführerin behauptet, sei die Darstellung der Babys im Übrigen auch keineswegs unangemessen sensationell oder menschenverachtend. Die Fotos dokumentierten ein grausames Geschehen. Dies geschehe jedoch nicht etwa auf sensationslüsterne oder herabwürdigende Weise. Vielmehr begegne der Betrachter den Opfern mit Mitgefühl und Entsetzen angesichts ihres schrecklichen Schicksals.