Pointierungen sind Wesen einer Überschrift
Boulevardzeitung berichtet über Corona-Todesfälle in Seniorenheim
Eine Boulevardzeitung berichtet online über Corona-Infektionen in einem Altenpflegeheim in Sachsen-Anhalt. Dort seien 21 Personen, Heimbewohner und Pflegekräfte, positiv getestet worden. Zwei Bewohner seien gestorben. Über die Ursache heißt es im Beitrag: „Das Schlimmste: Das Virus brachten ungeimpfte Mitarbeiter ins Haus.“ Der Betreiber habe – so die Zeitung – darauf hingewiesen, dass Besuchern nur mit negativem Testergebnis Zutritt zu dem Pflegeheim gewährt werde. Jedoch hätten laut einer im Artikel zitierten Amtsärztin 75 Prozent der dort beschäftigten Mitarbeiter das Impfangebot nicht angenommen. Weiter heißt es, dass alle sieben infizierten Pflegekräfte ungeimpft gewesen seien. Der Autor folgert: „Einer der Impfverweigerer schleppte Corona ins Seniorenheim.“ Eine Leserin der Zeitung sieht in der Berichterstattung mehrere presseethische Grundsätze verletzt. Mit der Überschrift und im Artikel werde suggeriert, die Mitarbeiterinnen des Seniorenheims, welche sich nicht hätten impfen lassen, hätten den Tod der beiden -Senioreninnen zu verantworten. Menschen, die sich aus verschiedenen Gründen nicht impfen lassen könnten oder wollten, würden schuldig am Tod anderer gesprochen. Die Ehre von Menschen – so die Beschwerdeführerin – werde verletzt, wenn sie ungeprüft für den Tod anderer verantwortlich gemacht würden. Die Unschuldsvermutung nach Ziffer 13 des Pressekodex gelte ausdrücklich für Berichte aus Ermittlungs-, Straf- oder anderen Verfahren. Die Redaktion widerspricht den Vorwürfen, gegen presseethische Grundsätze verstoßen zu haben. In der Zusammenfassung des Artikels teile der Redakteur unmissverständlich mit, dass die Senioren trotz einer Impfung infiziert worden seien. Er übermittle zugleich auch die Mutmaßung des RKI, wie es zu dem Corona-Ausbruch habe kommen können. Der Vorwurf der Beschwerdeführerin, die Überschrift des Artikels suggeriere, dass die nicht geimpften Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Tod der beiden Seniorinnen zu verantworten hätten, gehe ebenfalls ins Leere. Verkürzungen, Verknappungen und Pointierungen in Überschriften entsprächen gängiger journalistischer Praxis, die nicht nur vom Presserat, sondern auch von den ordentlichen Gerichten für zulässig erachtet werde.