„Kleinkrieg“ gegen eine Lokalredaktion
Zeitung veröffentlicht „Geheimnisse“, die bereits öffentlich sind
Ein Lokalredakteur der Bezirksausgabe einer Regionalzeitung hat ein Schreiben der örtlichen Verkehrsbetriebe an eine städtische Werbegemeinschaft weitergegeben. Das missfällt dem Geschäftsführer der Verkehrsbetriebe, der sich deshalb mit einer Beschwerde an den Presserat wendet. Es geht um das Verhältnis von Werbegemeinschaft und Verkehrsbetrieben, wobei dieses offenbar von beidseitigem Misstrauen geprägt ist. So habe der Redakteur einen Vertreter der Werbegemeinschaft darauf hingewiesen, dass sich diese einmal Gedanken über die wahren Absichten der Verkehrsbetriebe machen solle. Es sei klar, dass der Redakteur das Schreiben vom Redaktions-Fax aus an die Werbegemeinschaft geschickt habe. Der Geschäftsführer der Verkehrsbetriebe und Beschwerdeführer in diesem Fall verweist darauf, dass das Schreiben Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse enthalte und deshalb nicht an Dritte habe übermittelt werden dürfen. Bei den Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen geht es um das Vorhaben eines Inverstors, auf einem Grundstück der Verkehrsbetriebe ein Projekt zu verwirklichen. Der Beschwerdeführer sieht in der Veröffentlichung der Zeitung einen Verstoß gegen den Redaktionsdatenschutz. Der Beschwerdeausschuss beschränkt die Prüfung auf die Frage, ob die Weitergabe des Schreibens ein Verstoß gegen die journalistische Sorgfalt im Hinblick auf den Informantenschutz (Ziffern 2 und 5 des Pressekodex) darstellt. Ein Verstoß gegen den Redaktionsdatenschutz wegen der im fraglichen Schreiben enthaltenen personenbezogenen Daten ist nicht gegeben, da diese auf der Internetseite der Verkehrsbetriebe veröffentlicht sind. Der Chefredakteur der Regionalzeitung überreicht die Stellungnahme des bearbeitenden Redakteurs. Die in dem Schreiben enthaltenen Berechnungszahlen seien in einer Stadtratssitzung öffentlich erörtert worden. Deshalb habe er bei der Weitergabe keinen Verstoß gegen presseethische Grundsätze gesehen. Der Chefredakteur ergänzt die Stellungnahme dahingehend, dass die Verkehrsbetriebe seit geraumer Zeit einen „Kleinkrieg“ gegen die Redaktion der Bezirksausgabe führten. Der Betrieb werfe der Redaktion „unbotmäßige Fragen“ vor. Die Chefredaktion werde regelmäßig mit anonymen Briefen und fingierten Leserbriefen konfrontiert, in denen versucht werde, den Redakteur persönlich zu diskreditieren. Diese Hintergrundinformationen seien möglicherweise für die vorliegende Beschwerde irrelevant. Sie gehörten jedoch zum Kontext des Falles.