Fotos von Tatverdächtigen veröffentlicht
Öffentliches Interesse überwiegt die Interessen der Betroffenen
Eine Boulevardzeitung berichtet online über ein Verfahren wegen schweren Kindesmissbrauchs. Überschrift: „Im Zoo missbrauchten die Monster ein behindertes Kind“. Zwei Männer hätten gemeinsam mehrere Kinder missbraucht und sich darüber in einem Chat ausgetauscht. Einer der beiden, Sönke G. aus Berlin, sei mittlerweile zu 12 Jahren Haft verurteilt worden. Er habe 26 Jungen, darunter ein Baby, missbraucht. Der zweite Mann sei derzeit in U-Haft. Er steht im Verdacht, 18 Kinder missbraucht zu haben. Die Zeitung veröffentlicht Fotos der beiden Männer. Ein Leser der Zeitung wendet sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Die abgebildeten Personen seien keine Verurteilten, sondern Verdächtige. Sollten die Männer unschuldig sein, seien sie durch die Berichterstattung für den Rest ihres Lebens vernichtet. Die Rechtsvertretung der Zeitung weist die Beschwerde als unbegründet zurück. Den Leserinnen und Lesern werde durch Formulierungen im Konjunktiv mehrfach deutlich vor Augen geführt, dass es sich um mutmaßliche Täter und nicht um verurteilte Straftäter handele. Die Zeitung beruft sich auf Ziffer 8, Richtlinie 8.1, des Pressekodex (Schutz der Persönlichkeit/Kriminalberichterstattung). Danach können identifizierende Fotos von Tatverdächtigen veröffentlicht werden, wenn das berechtigte Interesse der Öffentlichkeit im Einzelfall die schutzwürdigen Interessen von Betroffenen überwiegt. Dabei falle die Abwägung jedenfalls dann zugunsten des öffentlichen Interesses aus, wenn etwa eine außergewöhnlich schwere oder in ihrer Art und Dimension besondere Straftat vorliege und wenn die schwere Tat in aller Öffentlichkeit geschehen sei. Beides sei hier der Fall. Die Rechtsvertretung des Verlages weist auch den Vorwurf des Beschwerdeführers zurück, die Zeitung habe gegen das Gebot der Unschuldsvermutung nach Ziffer 13 des Kodex verstoßen.