Aus einem Verdacht eine Tatsache gemacht
Zeitung berichtet über Anschlagspläne beim Berlin-Marathon
Eine überregionale Tageszeitung berichtet gedruckt und online über einen Erfolg der Polizei. Diese habe einen Anschlag auf den Berliner Halbmarathon verhindert, indem sie sechs Männer aus dem privaten Umfeld des Attentäters vom Berliner Breitscheidplatz festgenommen habe. In der Wohnung eines der Verdächtigen hätten speziell auf Sprengstoff trainierte Polizeihunde angeschlagen. Ein ranghoher Polizeiführer habe der Zeitung gesagt: „Wir werten noch aus. Aber das war wahrscheinlich knapp.“ Eine konkrete Gefährdungslage habe nicht bestanden, weil ein mobiles Einsatzkommando den Verdächtigen seit langem nicht aus den Augen gelassen habe. Die Veranstalter des Marathons und dessen Teilnehmer hätten aus den Nachrichten von dem vereitelten Terroranschlag erfahren. Ein Leser der Zeitung begründet seine Beschwerde beim Presserat mit der Schlagzeile, mit der die Zeitung erschienen sei. Diese habe gelautet: „Polizei verhindert Terroranschlag in Berlin“. Der Artikel beginne mit dieser Passage: „Spezialkräfte der Berliner Polizei haben nach Informationen von (…) einen Anschlag während des 38. Berliner Halbmarathons am Sonntag verhindert. Die Polizei der Hauptstadt bestätigt den Bericht inzwischen.“ Diese Darstellung sei falsch, stellt der Beschwerdeführer fest. Die Menschen, die die Polizei vorübergehend festgenommen habe, hatten nach Angaben der Polizei keine konkreten Anschlagspläne. Die Polizei habe den Bericht der Zeitung, dass sie einen Anschlag verhindert habe, auch nicht bestätigt. Die Zeitung habe an ihrer Darstellung auch noch festgehalten, als die Polizei ihrer Darstellung bereits ausdrücklich widersprochen habe. Die Redaktion habe aus einem tatsächlichen Anfangsverdacht eine Tatsache gemacht. Der zuständige Ressortleiter der Zeitung nimmt zu der Beschwerde Stellung. Bei der Polizei habe die Sorge vor einer möglichen Tat beim Halbmarathon durchaus bestanden, also das, was der Beschwerdeführer einen „Anfangsverdacht“ nenne. Es habe Hinweise darauf gegeben, dass die sechs festgenommenen Männer „an der Vorbereitung eines Verbrechens im Zusammenhang mit dieser Veranstaltung“ beteiligt gewesen sein könnten. Der Ressortleiter stellt fest, dass die Berichterstattung in einem konjunktivischen Ton gehalten sei. Es sei sicher nicht darum gegangen, aus Ermittlungshinweisen und indiziengestützten Mutmaßungen eine Tatsachenbehauptung zu machen. Der ganze Bericht inklusive der Unterzeile sei im Geist des hier sehr wichtigen Wörtchens „offenbar“ geschrieben. Was habe die Redaktion getan? Sie habe gewusst, dass sich die Polizei wegen eines möglichen Anschlags Sorgen mache. Sie greife ein und nehme fest. Das habe man aufgeschrieben.