Mordopfer unverpixelt im Foto gezeigt
Boulevardblatt missachtet Opferschutz
„Hat der Fitness-Studio-Angreifer schon einmal gemordet?" Unter diesem Titel schreibt eine Boulevardzeitung über einen Tatverdächtigen, der in einem Fitnessstudio vier Männer mit einem Messer angegriffen haben soll. Die Polizei prüfe nun Verbindungen zu einem Messermord an Ostern, bei dem ein Unbekannter einem 35-Jährigen mehrfach ein Messer in den Bauch gerammt habe. Der wegen der Fitnessstudio-Attacke tatverdächtige Syrer wohne nur 200 Meter vom Tatort der Oster-Attacke entfernt. In beiden Fällen handele es sich offenbar nur um Zufallsopfer. Der mutmaßliche Täter und der an Ostern Erstochene werden mit Vornamen und abgekürztem Nachnamen genannt, außerdem beide auf Fotos gezeigt: das Angriffsopfer zu Lebzeiten unverpixelt von vorn, der Tatverdächtige im Profil mit einem kleinen Balken über der Augenpartie. - Der Beschwerdeführer sieht in den Fotos und der Namensnennung Verstöße gegen den Persönlichkeitsschutz und in der Bezeichnung „Fitness-Studio-Angreifer" eine mutmaßliche Vorverurteilung. - Die Zeitung macht von der Gelegenheit zur Stellungnahme keinen Gebrauch. - Der Beschwerdeausschuss bejaht einen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex, wonach Opfer besonders geschützt werden. Die Veröffentlichung des unverpixelten Fotos des Mordopfers verletzt dessen Persönlichkeitsschutz. Nur, weil jemand Opfer eines Verbrechens wird, darf er nicht automatisch identifizierend in der Presse gezeigt werden. Deshalb spricht der Ausschuss einstimmig eine öffentliche Rüge aus. Beim Foto des Tatverdächtigen sind sich die Ausschussmitglieder uneinig, ob er dadurch identifizierbar ist. Im Ergebnis wird eine Verletzung von dessen Persönlichkeitsschutz verneint. Außerdem erkennt der Ausschuss keinen Verstoß gegen die Unschuldsvermutung nach Ziffer 13. Die Zeitung hat die presseethisch zulässige Form der Verdachtsberichterstattung gewahrt.