Nicht an die Sorgfaltsregeln gehalten
Anonymes Schreiben veranlasst Redaktion zu Bericht über Radikale
„Neonazis wiegeln Schüler und Bürger in … auf“ – so überschreibt eine Regionalzeitung online ihren Bericht über Rechtsradikale, die angeblich versuchten, Schüler zu Straftaten gegen Flüchtlinge anzustiften. An einer Realschule solle ein namentlich genannter „Nazi-Rapper“, der sich „MaKss Damage“ nenne, versucht haben, Neunt- und Zehntklässler aufzuwiegeln. Sie hätten einer schwangeren syrischen Frau in den Bauch treten oder sie schlagen sollen. Die Zeitung berichtet, der Rapper habe den Schülern zur Belohnung für ihre Taten eine CD mit seiner Musik und ein T-Shirt mit seinem Konterfei versprochen. Zugleich solle er nach Aussage des Schulleiters den Kindern mit den Worten gedroht haben, sie wüssten ja, was mit Verrätern passiere. Der Rapper, der sich von einem Anwalt vertreten lässt, hält die Berichterstattung für unzulässig. Sie verstoße gegen den Pressekodex. Er bestreitet, die Schüler zu Straftaten angestiftet zu haben. An der besagten Schule habe er sich niemals aufgehalten und auch niemanden aufzuwiegeln versucht. Er werde mit den von der Zeitung veröffentlichten Behauptungen als der „letzte Dreck“ und als eine Art von sozialem Unmenschen dargestellt. Niemand müsse sich Falschbehauptungen dieser Art gefallen lassen. Er werde durch ein Zerrbild seiner Person in eine bestimmte Ecke gedrängt. Der Beschwerdeführer beklagt sich darüber, dass die Zeitung ihn vor der Veröffentlichung nicht zu den Vorwürfen befragt habe. Er habe somit keine Gelegenheit zu einer Klarstellung bekommen. Es handele sich auch nicht um eine Distanz wahrende Berichterstattung über einen „Verdacht“. Er wirft der Zeitung auch vor, ihn mit seinem Klarnamen genannt zu haben. Der Verlag sei der Forderung, einen Widerruf abzudrucken, und einem Unterlassungsbegehren nicht nachgekommen. Der Text werde weiterhin über das Internet verbreitet. Sein Anwalt – so der Beschwerdeführer – habe Strafanzeige gegen die redaktionell Verantwortlichen erstattet. Er habe eidesstattlich versichert, dass die von der Zeitung verbreiteten Behauptungen frei erfunden, also sprichwörtlich „erstunken und erlogen“ seien. Der Chefredakteur der Zeitung spricht in seiner Stellungnahme von handwerklichen Mängeln im beanstandeten Text. Im Kern sei dieser jedoch korrekt. Die Schule habe den Fall, über den sie durch ein anonymes Schreiben informiert worden sei, sehr ernst genommen. Dass sich Rechtsradikale vor Schulen herumtreiben und Propagandamaterial an Schüler verteilen, sei Stadtgespräch. Nachdem der von der Redaktion geschilderte Fall angesprochen worden sei, habe der Schulleiter Schulbehörde und Polizei informiert und umgehend ein Hausverbot gegen den Beschwerdeführer ausgesprochen. Der Chefredakteur berichtet, dass auch der Verfassungsschutz eingeschaltet sei. Aus dessen Umfeld werde berichtet, dass sich der Beschwerdeführer aktuell wieder in der Stadt betätige. Die rechtsradikale Szene versuche, an Schulen zu agitieren. Das vom Autor recherchierte und veröffentlichte Bild sei schlüssig. Es entspreche dem Gedankengut, das der Beschwerdeführer in seinen Liedern äußere. Er sei deshalb bereits wegen Volksverhetzung und Gewalt-Pornografie verurteilt worden. Seine Texte strotzten nur so von Gewalt- und Pornofantasien gegen Ausländer, Juden, Frauen und „Zecken“. Der Chefredakteur räumt ein, dass es die Redaktion versäumt habe, im Rahmen der Recherche des Berichts auch den Betroffenen zu Wort kommen zu lassen. Man komme aber an den Mann kaum heran. Er mache sich im Netz sogar darüber lustig, wie er Journalisten durch Nicht-Reaktion auf Anfragen „zappeln“ lasse. Entgegen der Behauptung des Rappers habe die Zeitung den Artikel aus dem Internet genommen. Sie habe eine umfangreiche Stellungnahme des Beschwerdeführers nachgeliefert.