„Anonymität vollkommen ausgehebelt“
Regionalzeitung berichtet detailliert über einen erweiterten Suizid
Ein sogenannter „Mitnahme-Suizid“ ist Thema in zwei Artikeln einer Regionalzeitung. Im ersten Artikel wird berichtet, dass ein Vater die Leichen seiner Frau (39) und seines Sohnes (10) in der gemeinsamen Wohnung aufgefunden habe. Die Frau soll psychisch krank gewesen sein. Die Zeitung berichtet, dass nach der inzwischen erfolgten Obduktion davon auszugehen sei, dass die Frau zuerst ihren Sonn und dann sich selbst getötet habe. Zum Artikel gestellt ist ein großes Foto des Wohnhauses, sowie einer Karte, die die Straße markiert. Im zweiten Artikel äußern sich mehrere Anwohner zum mutmaßlichen erweiterten Suizid. Die Wohnung wird genau beschrieben. Der Beschwerdeführer, der sich selbst als unmittelbar Betroffenen und Hinterbliebenen bezeichnet, sieht in den Veröffentlichungen einen Verstoß gegen presseethische Grundsätze. Durch die Detail-Veröffentlichung von Anschrift, Kartenausschnitten und Fotos des Hauses sei die Anonymität vollkommen ausgehebelt. Die Berichterstattung ergehe sich in Vermutungen, die in der Folge zu zahlreichen Gerüchten und Legenden geführt hätten. Private Dinge seien veröffentlicht worden, die eindeutig dem Schutz der Privatsphäre unterlägen. Die Autorin der Beiträge habe auch Fünftklässler ohne Einwilligung der Schule befragt. Dies sei zu einem Zeitpunkt geschehen, als diese noch gar nichts von den Ereignissen gewusst hätten. Insofern sei das gesamte Vorgehen der Redaktion aufs Schärfste zu verurteilen. Die Rechtsabteilung der Zeitung beruft sich auf eine gemeinsame Presseerklärung von Polizei und Staatsanwaltschaft. Darin werde auch der Stadtteil genannt, in dem das Ereignis stattgefunden habe. Mitarbeiter der Redaktion hätten das Wohnhaus fotografiert. Redakteure der Zeitung hätten die Gelegenheit gehabt, vor Ort mit Nachbarn der betroffenen Familie zu sprechen. Dies werde im Text durch die Wiedergabe von Zitaten deutlich. Die Rechtsvertretung stellt fest, dass Namen nicht genannt würden. Die Nennung der Straße allein ermögliche keine Identifizierung der Wohnung. Die Zeitung räumt über ihren Anwalt ein, dass eine gewisse Eingrenzung des Tatortes vorgenommen worden sei. Eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts könne darin jedoch nicht gesehen werden. Das Informationsinteresse der Allgemeinheit an diesem Vorfall überwiege die Persönlichkeitsbeeinträchtigung des Beschwerdeführers.