Getötete Mutter unverpixelt im Foto gezeigt
Boulevardredaktion unterlässt auch Anonymisierung des Tatverdächtigen
Unter der Schlagzeile „Sie brachte ihre Kinder zur Schule, dann holte sie der Killer“ berichtet eine Boulevardzeitung online über eine getötete Mutter. Ihr Ex-Mann sei wegen Mordverdachts verhaftet worden. Bebildert wird der Artikel mit einem unverpixelten Foto des Opfers, das die Redaktion laut Quellenangabe von Facebook übernommen hat. Außerdem wird ein Foto des Tatverdächtigen in Polizeibegleitung gezeigt. Sein Gesicht ist lediglich mit einem Augenbalken versehen. Auch die Kinder des Paares sind im Hintergrund eines Fotos zu sehen, allerdings mit komplett verpixelten Gesichtern. – Die 12. Klasse eines Gymnasiums sieht in dem Beitrag eine unangemessen sensationelle Darstellung des Geschehens. Auch werde der mutmaßliche Täter als „Killer“ bezeichnet, wodurch ihm Mord unterstellt werde. Er habe aber weder ein Geständnis abgelegt, noch habe es Augenzeugen für das Verbrechen gegeben. Durch den angegebenen Vornamen, den ersten Buchstaben seines Nachnamens, sein Alter, seinen Beruf, den Ort der Festnahme und sein Bild mit einem minimalen Augenbalken sei er leicht zu identifizieren. Zudem werde das Opfer ohne Pixelung gezeigt, und die Verpixelung der Kinder sei unzureichend. – Die Redaktion nimmt keine Stellung zu den Vorwürfen. - Der Beschwerdeausschuss erkennt einen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Schutz der Persönlichkeit) und spricht einstimmig eine öffentliche Rüge aus. Vor der Veröffentlichung des unverpixelten Opfer-Fotos hätte die Redaktion die Angehörigen um Einverständnis bitten müssen. Dies ist jedoch offensichtlich nicht geschehen. Zudem ist der Tatverdächtige für ein näheres Umfeld erkennbar. Er hätte vollständig anonymisiert werden müssen, da keines der Kriterien für eine identifizierende Berichterstattung vorliegt. In den anderen von den Beschwerdeführenden vorgebrachten Punkten sieht der Ausschuss jedoch keine Verstöße gegen den Pressekodex. Das Geschehen wurde nicht unangemessen sensationell dargestellt, denn hier wurde niemand zum Objekt oder zu einem bloßen Mittel herabgewürdigt. Der Ausschuss sieht auch keinen Verstoß gegen die Unschuldsvermutung. Denn die Redaktion schreibt in der Überschrift zwar, dass die Frau von einem „Killer“ getötet wurde. Im Text bezieht sie das Wort „Killer“ jedoch nicht auf den Tatverdächtigen. Insofern liegt hier keine Vorverurteilung einer konkreten Person vor. Ebenfalls als presseethisch in Ordnung bewertet der Ausschuss die Abbildung der beiden Kinder des Opfers, da deren Gesichter ausreichend verpixelt sind.