Zeitung berichtet identifizierbar über zwei Mörder
Öffentliches Interesse überwiegt Persönlichkeitsschutz der Täter
Eine Großstadtzeitung berichtet online über einen Gerichtsprozess. Im Beitrag geht es um die Verurteilung eines Mannes zu einer lebenslangen Haftstrafe wegen Mordes an seinem einjährigen Ziehsohn. Die Zeitung veröffentlicht ein Foto des Mannes, der als „Ricardo H. (37)“ bezeichnet wird. Fast zeitgleich berichtet die Redaktion über den Prozess gegen einen 27-jährigen Mann, der wegen Mordes an einer jungen Frau zu lebenslanger Haft verurteilt worden sei. Der Verurteilte wird als „Alexander H. (27)“ mit Foto dargestellt. Ein Leser sieht in beiden Fällen den Persönlichkeitsschutz der Verurteilten verletzt. Der Chefredakteur der Zeitung vertritt die Auffassung, dass an der identifizierenden Berichterstattung ein öffentliches Interesse bestanden habe, das die schutzwürdigen Belange der abgebildeten Angeklagten überwiege. Beide Männer hätten jeweils einen Menschen in den Tod gerissen und kaltblütig die Jugend und Hilflosigkeit ihrer Opfer ausgenutzt. Bei dem Opfer von Ricardo H. handele es sich um ein einjähriges Kind, dem der Täter eine mehrfach tödliche Überdosis Gift in den Brei gemischt habe. Alexander H. habe einer Schülerin hinterrücks die Kehle durchgeschnitten, nachdem er zuvor versucht habe, sie zu vergewaltigen. Es müsse möglich sein, derartige Mörder erkennbar darzustellen. Der Beschwerdeausschuss beschließt eine Erweiterung der Beschwerde auf die in dem zweiten Beitrag erfolgte Veröffentlichung eines Opfer-Fotos. Die Redaktion wird um eine ergänzende Stellungnahme gebeten. Sie bezieht sich ausschließlich auf die Veröffentlichung der Täter-Fotos. Diese sei in beiden Fällen ethisch gerechtfertigt, da es sich um schwerwiegende Verbrechen handele. Zu dem im zweiten Artikel veröffentlichten Opfer-Foto teilt sie nichts mit.