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Junge Frau ein weiteres Mal gedemütigt

Boulevardzeitung berichtet über ein skandalöses Facebook-Video

„Facebook-Peiniger“ drohen bis zu zwei Jahre Haft“ titelt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Es geht um ein Video, das auf Facebook verbreitet wurde. Dessen Inhalt beschreibt die Zeitung so: „Eine junge Frau kniet in Unterwäsche auf der Straße. Sie weint. Die Schminke ist verschmiert, die Haare zerzaust. Ein Mann filmt sie, fragt aus dem Hintergrund: ´Warum hast du mich beklaut?´ Sie antwortet schluchzend: ´Weil ich eine Hure bin´. Doch der Unbekannte will sein Opfer weiter demütigen. Er fragt: ´Wie heißt Du? Woher kommst du?“ Das Mädchen nennt seinen Namen und seinen Heimatort. Die Zeitung berichtet, dass dem Facebook-Nutzer, der das Video ins Netz gestellt hat, eine Haftstrafe bis zu zwei Jahren drohe. Es liege eine Anzeige wegen „Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen“ gemäß Paragraf 201 StGB vor. Zu Tatbestand und Straferwartung zitiert die Zeitung einen Fachanwalt für Strafrecht. Sie gibt Kommentare von anderen Facebook-Nutzern wieder, die die Veröffentlichung des Videos kritisieren. Ein Polizeisprecher wird zu dem Ermittlungsverfahren zitiert. Der Bericht ist mit zwei Fotos illustriert. Das eine zeigt das nur mit Unterwäsche bekleidete Mädchen, das eine Hand vor das Gesicht hält. Auf dem anderen ist der mutmaßliche Täter zu sehen, der sich ebenfalls die Hand vor das Gesicht hält. Die Bilder sind außerdem teilweise verpixelt. Zwei Leserinnen halten den Beitrag für einen Verstoß gegen die Ziffern 1 (Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde) und 11 (Sensationsberichterstattung, hier unangemessene Darstellung nach Richtlinie 11.1) des Pressekodex. Sie kritisieren den Abdruck des Fotos der jungen Frau. Auch wenn die Redaktion deren Gesicht verpixelt habe, sei es doch das Ziel des Artikels, das Bild einer wehrlosen Frau in Unterwäsche an die Leser zu bringen. Die Rechtsabteilung der Zeitung wehrt sich gegen den Vorwurf, die Redaktion habe die junge Frau ein weiteres Mal gedemütigt bzw. es sei Ziel des Artikels gewesen, ein Bild mit einer wehrlosen Frau in Unterwäsche an die Leserinnen und Leser zu bringen. Vielmehr habe die Redaktion in zulässiger Weise über einen Vorgang berichtet, der bei Facebook für ein riesiges Aufsehen gesorgt habe und inzwischen sogar die Ermittlungsbehörden beschäftige. Wie viele andere Leser auch sei man in der Redaktion geschockt über die menschenverachtenden Sprüche des Täters.