Opferfoto unerlaubt online veröffentlicht
Erinnerungsfotos an Gedenkstellen dürfen nicht einfach ins Internet gestellt werden
In einem Online-Bericht über ein Tötungsdelikt nennt eine Boulevardzeitung den Vornamen und abgekürzten Nachnamen des Opfers und veröffentlicht ein zu Lebzeiten aufgenommenes Foto von ihm. – Der Sohn des Getöteten beschwert sich, dass sein Vater unverpixelt gezeigt wurde. – Die Zeitung hält die Beschwerde für unbegründet. Bei dem Foto handele es sich um ein Bild, das ein Freund des Toten an einer Gedenkstelle am Leichenfundort platziert habe. Laut der Opferschutz-Richtlinie aus Ziffer 8 des Pressekodex dürften solche Fotos veröffentlicht werden, „wenn das Opfer bzw. Angehörige oder sonstige befugte Personen zugestimmt haben“. Der Freund sei eine solche befugte Person. Zudem habe der Beschwerdeführer bislang offensichtlich nichts gegen die Veröffentlichung des Fotos an der Gedenkstelle einzuwenden; dass er die Veröffentlichung nun ablehne, sei widersprüchlich. Im Übrigen habe die Redaktion seinem Wunsch bereits entsprochen und das Foto längst gelöscht. Die Beschwerde sei daher als unbegründet abzuweisen. Hilfsweise könnte der Presserat die Beschwerde als begründet bewerten, aber auf eine Maßnahme gegen die Zeitung verzichten. - Der Beschwerdeausschuss sieht in der Veröffentlichung des Opferfotos einen schweren Verstoß gegen Ziffer 8 und spricht einstimmig eine Rüge aus. Vor der Veröffentlichung hätte die Redaktion Angehörige um Einwilligung bitten müssen. Ein Freund gilt nicht als „sonstige befugte Person“. Gemäß der bisherigen Spruchpraxis des Presserats ist auch das Aufstellen eines Fotos an einer Gedenkstelle nicht gleichzusetzen mit der Einwilligung zur Veröffentlichung in einem Medium.