Vater hat der Veröffentlichung zugestimmt
Zeitung zeigt bei Fassbomben-Angriff getötetes Mädchen im Bild
Eine Boulevardzeitung zeigt online unter der Überschrift „Seht ihr in die Augen“ das Foto einer Sechsjährigen, die einen Fassbomben-Angriff in Syrien überlebt hat. Das Mädchen liegt mit blutüberströmtem Gesicht in Trümmern. Unter ihm sind die Haare seiner vierjährigen Schwester zu sehen, die den Angriff nicht überlebt hat. Die Redaktion veröffentlicht außerdem ein Foto der insgesamt drei Geschwister, wie sie spielen. Auf dem Bild zu sehen ist auch der zweijährige Bruder der Kinder, der ebenfalls ums Leben gekommen ist. Im Bild gezeigt wird auch der Vater der drei Kinder, der den Fuß seiner toten Tochter küsst. Ein weiteres Foto zeigt ihn, am Krankenhausbett seiner Tochter, die schwerverletzt überlebt hat. Ein Leser der Zeitung sieht in der Veröffentlichung Verstöße gegen mehrere presseethische Grundsätze. Die Darstellung des Familienleids überschreite die vom Pressekodex gesetzten Grenzen massiv. Eine solche Darstellung von minderjährigen Opfern habe nur sehr wenig mit einer seriösen Berichterstattung zu tun. Der Chefredakteur der Zeitung verweist auf eine frühere Presseratsentscheidung, wonach die Abbildung toter Kinder nach dem Giftangriff auf das syrische Duma nicht übertrieben sensationell war. Nichts anderes gelte im vorliegenden Fall. Hinzukomme, dass die Redaktion das Foto auf ausdrücklichen Wunsch des Vaters veröffentlicht habe. Chronistenpflicht der Presse bedeute, die Realität abzubilden und den betroffenen Menschen eine Stimme – in diesem Fall ein Gesicht – zu verleihen. Der Chefredakteur führt als Beispiel das „Napalm-Mädchen“ von 1972 an, das zu einem Symbol für die Menschenverachtung im Vietnamkrieg geworden sei.