Ein Video vom Leid der Unglücksopfer
Grenze zur Sensationsberichterstattung ist deutlich überschritten
„Bad Aibling – Video zeigt schockierende Szenen nach der Kollision“ überschreibt eine Boulevardzeitung online ihren Bericht über die Filmaufnahmen eines Augenzeugen von der Eisenbahnkollision im Februar 2016. Dieser saß in einem der beiden Züge und hat unmittelbar nach dem Zusammenstoß mit seiner Kamera ein Video gedreht. „Menschen liegen verletzt am Boden des Zuges, man hört schmerzerfülltes Wimmern und blickt in schockierte Gesichter“ – so beschreibt die Redaktion den Video-Inhalt. Sie stellt ihren Lesern den Film zur Verfügung und weist ihnen den Weg, um ihn auf Youtube anzuschauen. Er ist 8:37 Minuten lang; als Quelle gibt die Redaktion „Marcello Collio“ an. Der Beschwerdeführer – ein Leser der Zeitung – sieht mehrere Ziffern des Pressekodex verletzt. Es sei nicht in Ordnung, verletzte und hilflose Menschen unverpixelt in einem öffentlich zugänglichen Medium zu präsentieren. Der Leiter der Online-Ausgabe berichtet von einer intensiven Diskussion, die der Veröffentlichung in der Redaktion vorangegangen sei. Eine Rolle habe dabei gespielt, dass die Tagesschau schon am Unglückstag eine Sequenz aus dem Video ausgestrahlt habe. Letztlich habe sich die Redaktion trotz vieler Bedenken zur Veröffentlichung entschlossen. Es sei ihr darum gegangen, das außerordentliche Ereignis – das schwerste Eisenbahnunglück in Deutschland seit vierzig Jahren – rational greifbar zu machen. Die Redaktion habe das Video nicht einfach ins Netz gestellt, sondern mit einem einordnenden Text versehen. Der Film könne zudem nur durch aktives Vorgehen des Nutzers gestartet werden. Es liege an ihm, ob er das Video sehen wolle oder nicht.