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Titelseite mit blutigen Details aus Prozess um Kindesmissbrauch

Zeitung berichtet unangemessen sensationell und verletzt Persönlichkeitsschutz

Eine Lokalzeitung berichtet über einen Strafprozess gegen eine Mutter: Weil ihre zweijährige Tochter angeblich nicht Zähne putzen wollte, habe die Mutter ihr eine elektrische Zahnbürste in die Scheide gesteckt und sie damit schwer verletzt. In dem Prozessbericht erwähnt die Zeitung ausführlich blutige Details der vorgeworfenen Tat. - Der Beschwerdeführer sieht darin einen Verstoß gegen Ziffer 11 des Pressekodex (Sensationsberichterstattung, Jugendschutz). Es würden unnötigerweise Details aus der Gerichtsverhandlung geschildert. Dass ein Kleinkind vermutlich auf perverse Art verletzt worden sei, werde in dem ausführlichen Artikel auf der Titelseite öffentlich ausgestellt. - Nach Angaben des Redaktionsleiters hat sich die Redaktion in Absprache mit der Autorin ausdrücklich für diese Darstellungsform entschieden. Denn es handele sich um einen ungewöhnlichen Fall sexuellen Missbrauchs: Die Tat sei nicht zur sexuellen Befriedigung geschehen, sondern um ein Kleinkind zu bestrafen. Durch die genannten Details werde die besondere Brutalität der Tat gezeigt. - Der Beschwerdeausschuss spricht einstimmig eine öffentliche Rüge gegen die Zeitung aus. Es handelt sich hier um eine unzulässige Sensationsberichterstattung nach Pressekodex-Ziffer 11 und zusätzlich um einen Verstoß gegen den Persönlichkeitsschutz nach Ziffer 8. Zwar besteht an der Berichterstattung über Gerichtsverfahren und Missbrauchsfälle ein grundsätzliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Aber die detaillierte Schilderung des Missbrauchs greift tief in die Intimsphäre des Opfers ein. Auch ließ die Redaktion die Folgen ihrer Berichterstattung für das Opfer und dessen Familie außer Acht. So ist vor allem das Opfer dauerhaft stigmatisiert. Zumindest für das soziale Umfeld sind die Betroffenen erkennbar. Die Abwägung zwischen dem öffentlichen Informationsinteresse und den schutzwürdigen Interessen der Betroffenen hätte hier zu deren Gunsten ausfallen müssen.