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Das Wahrhaftigkeitsgebot missachtet

Boulevardzeitung spricht von einer Kampagne, die es nicht gegeben hat

Gedruckt und online titelt eine Boulevardzeitung „Neue Schmutzkampagne bei der SPD“. Laut Unterzeile spielen dabei brisante Mails, der Juso-Chef und ein Mann namens Juri eine Rolle. Auf Seite 2 geht es mit dem Thema weiter, diesmal unter der Überschrift „SPD will Strafanzeige wegen E-Mail erstatten“. Die Redaktion stellt fest, die SPD komme aus den Schlagzeilen nicht heraus: Martin Schulz abserviert, Sigmar Gabriel blamiere sich in Interviews, Parteistreit um die Wahl von Andrea Nahles – und jetzt das: Ein anonymer Informant spiele der Redaktion brisante E-Mails zu. Angeblich soll in den Fall der Juso-Chef Kevin Kühnert verstrickt sein, der jede Beteiligung bestreite. Ein Informant habe die Redaktion der Boulevardzeitung mit der Behauptung kontaktiert, über „brisantes Material“ zu verfügen. Bei einer Juso-Veranstaltung sei er an E-Mails gelangt. Deren Inhalt: Ein Russe namens „Juri“ solle Kühnert Unterstützung bei dessen Kampagne gegen die Große Koalition angeboten haben. Es sei von Stimmungsmache auf Facebook die Rede gewesen. Der Informant behaupte, Kühnert habe die Hilfe gern angenommen. Juso-Chef Kühnert bestreitet die Vorwürfe. Er lässt seinen Sprecher ausrichten, dass seine E-Mail-Adresse mit SPD.de und nicht mit Jusos.de ende. Die SPD prüfe, ob sie Strafanzeige gegen Unbekannt stellen werde. Sieben Beschwerdeführer sehen in der Veröffentlichung einen Verstoß gegen Ziffer 2 des Pressekodex (Journalistische Sorgfaltspflicht). Die Berichterstattung suggeriere, dass hier eine Affäre im Gange sei, gestützt auf E-Mails, die der Redaktion von einem anonymen Informanten zugespielt worden seien. Die Darstellung vermittle den Lesern, dass dies faktisch richtig sei. Erst im letzten Satz werde mitgeteilt, dass es für die Echtheit der Mails keinen Beweis gebe. Die Beschwerdeführer bemängeln, dass sich die Berichterstattung nur auf Vermutungen und nicht auf Fakten stütze. Der Chefredakteur der Zeitung hält die Vorwürfe für unbegründet. Von einer Kampagne gegen die SPD könne keine Rede sein. Wie es zu der Berichterstattung über die dubiosen Mails an Kevin Kühnert gekommen sei, sei inzwischen hinlänglich bekannt. Dahinter stecke die Redaktion des Satire-Magazins „Titanic“, die versucht habe, sich zu profilieren. Sie habe den Versuch unternommen, journalistische Arbeit bewusst zu diskreditieren. Der Autor des Textes sei nach langjähriger Erfahrung von Anfang an skeptisch gewesen. Erst als die SPD geprüft habe, ob sie Anzeige erstatten solle, habe sich die Redaktion zur Berichterstattung entschlossen.