Tatverdächtigen identifizierbar dargestellt
Boulevardzeitung verstößt gegen das Gebot der Unschuldsvermutung
„Das ist der Kinderschänder vom Camping-Platz“ titelt eine Boulevardzeitung online. Der Beitrag informiert über den Verdacht gegen einen Mann wegen sexuellen Missbrauchs seiner Pflegetochter. Der Verdächtige wird als Andreas V. bezeichnet. Ein zum Beitrag gestelltes Foto zeigt den Mann mit Augenbalken. Ein Leser des Magazins hält die Veröffentlichung für vorverurteilend. Der Verdächtige werde als Täter dargestellt, ohne dass dies von einem Gericht festgestellt worden sei. Der Chefredakteur der Zeitung nimmt Stellung. Von einer reißerischen Aufmachung oder gar Denunzierung könne keine Rede sein. Der Beschwerdeführer beanstande, dass die Redaktion Andreas V. als Kinderschänder in der Überschrift benenne. Er bringe es selbst auf den Punkt, wenn er in seiner Beschwerde feststelle: „Erst durch Lesen des Artikels wird klar, dass er nicht der verurteilte Täter ist.“ Der Chefredakteur stellt dazu fest, dass das Lesen eines Artikels immer die Voraussetzung für die presseethische Einordnung getroffener Aussagen ist. Das gelte auch für die Einordnung von Überschriften, die immer im Gesamtzusammenhang mit dem darauffolgenden Text zu bewerten sei. Es sei das Wesen einer Überschrift, dass diese plakativ und in gebotener Kürze auf den Inhalt der Berichterstattung hinweist. Dass im Artikel vom „Kinderschänder vom Campingplatz“ die Rede sei, sei nicht vorverurteilend. Zum Zeitpunkt der Berichterstattung hätten die von der Staatsanwaltschaft gesammelten Beweise keinen ernsthaften Zweifel aufkommen lassen, dass Andreas V. der Täter sei. Trotzdem habe die Redaktion alle presseethischen Grundsätze eingehalten und den Täter in Wort und Bild anonymisiert.