Spießrutenlauf der namentlich Genannten
Im frühen Stadium des Verfahrens hätte Nennung unterbleiben müssen
Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Mitarbeiter eines städtischen Kulturzentrums. Die örtliche Zeitung berichtet über den Fall unter der Überschrift „Krumme Geschäfte im Kulturwerk?“ Der Vorstand des Kulturwerk-Vereins und seine Stellvertreterin hätten bei der Staatsanwaltschaft Anzeige gegen Unbekannt erstattet. In einem an die Chefredaktion gerichteten Brief sei von „finanziellen Unregelmäßigkeiten“ die Rede. Auf die Nachfrage der Redaktion, um wieviel Geld es gehe und was es mit den erwähnten Unregelmäßigkeiten auf sich habe, hätten sich die Verantwortlichen im Verein, der Bürgermeister und die Staatsanwaltschaft nicht äußern wollen. Die beiden hauptamtlichen Mitarbeiter des Vereins seien nicht erreichbar gewesen. Dass aufgrund der vagen Aussagen des Vorstandes der Verdacht auf eben diese Mitarbeiter fallen könnte, habe die stellvertretende Vorsitzende gegenüber der Zeitung bestätigt. Der Bürgermeister habe am Tag vor Erscheinen des Artikels mitgeteilt, ebenfalls informiert zu sein. Der Verdacht habe sich zwar erhärtet, doch habe er – der Bürgermeister – davor gewarnt, diesen nur einer bestimmten Person zuzuordnen. Die Redaktion nennt in ihrem Beitrag die Namen der beiden hauptamtlichen Mitarbeiter des Vereins. Dies trifft auf den Widerspruch eines Lesers, der durch die Namensnennung die Ziffer 8 des Pressekodex (Persönlichkeitsrechte) verletzt sieht. Die beiden „direkt-indirekt“ verdächtigten Personen seien in Stadt und Landkreis durch ihre Tätigkeit sehr vielen Menschen bekannt. Es sei anzunehmen, dass jeder Gang außer Haus für beide – ob schuldig oder unschuldig – zum Spießrutenlauf gerate. Die Zeitung nimmt zu der Beschwerde nicht Stellung.