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„Kranker Mensch an den Pranger gestellt“

Einen SEK-Einsatz auf der eigenen Facebook-Seite veröffentlicht

Die Online-Ausgabe einer Regionalzeitung berichtet über einen Polizeieinsatz, in dessen Verlauf ein Sondereinsatzkommando der Polizei einen jungen Mann (27) in eine psychiatrische Klinik gebracht habe. Während des Einsatzes sei der Mann an die Öffentlichkeit gegangen, indem er das Eingreifen der Einsatzkräfte gefilmt und mehrere Videos in seinem öffentlichen Facebook-Auftritt veröffentlicht habe. Der Artikel enthält einen Link zu diesem Account. Ein Leser der Zeitung vertritt die Ansicht, dass die Berichterstattung gegen den Datenschutz verstoße. Über den Link auf die Facebook-Seite des Mannes sei dieser eindeutig identifizierbar, ebenso seine Familie und sein soziales Umfeld. Während die Polizei selbst bei Schwerverbrechern inzwischen nicht einmal mehr die abgekürzten Namen herausgebe, werde hier ein kranker Mensch an den Pranger gestellt. Der Chefredakteur der Zeitung berichtet, dass sich im Leserforum unter dem kritisierten Artikel sehr schnell eine Diskussion über die Verhältnismäßigkeit des SEK-Einsatzes entwickelt habe. Auch der Betroffene selbst habe diesen Einsatz offenbar für übertrieben gehalten. Deshalb habe er mit seinem Handy das Geschehen gefilmt und live ins Internet gestellt habe. Dies sei öffentlich und mit der Intention geschehen, möglichst viele Menschen über den SEK-Einsatz zu informieren. Die Aktivität des Betroffenen und die öffentliche Diskussion hätten die Redaktion nach reiflicher Überlegung dazu veranlasst, einen Link auf die Facebook-Seite des Mannes zu veröffentlichen. Entscheidend sei für die Redaktion gewesen, dass sich die Leser selbst ein Bild über die Verhältnismäßigkeit des Einsatzes hätten machen können. Der Betroffene sei in der Berichterstattung nie identifizierbar gewesen. Man habe auch seinen Namen nicht erwähnt. Der Leser hätte also selbst aktiv werden müssen, um die Identität des Betroffenen zu erfahren. Nach erneuter Überprüfung des Sachverhalts habe die Redaktion – so der Chefredakteur abschließend – inzwischen den Link zur Facebook-Seite gelöscht.