Unangemessene Sensationsfotos von abgebissener Fingerspitze
Boulevardblatt wird auch wegen Diskriminierung von Russen gerügt
Eine Boulevardzeitung veröffentlicht online einen Beitrag mit der Überschrift „‘Eine Russin biss meiner Freundin den Finger ab‘“. Der Artikel informiert über einen Vorfall in Thailand. Eine ehemalige deutsche Olympia-Fechterin schildert darin, wie eine russische Touristin dort einer Freundin der Fechterin die Spitze des Mittelfingers abgebissen habe. Beigestellt sind zwei Fotos der Verletzung sowie ein Bild (mit Augenbalken) der ‚Beißerin‘, die als „Vavara G. (32)“ bezeichnet wird. - Der Beschwerdeführer kritisiert die veröffentlichten Finger-Fotos als unangemessen. Zudem meint er, dass mit dem Hinweis auf die Nationalität Stimmung gegen Russen gemacht werden solle. - Die Rechtsabteilung des Verlags schreibt, die Menschenwürde des Opfers werde nicht herabgewürdigt, da die verletzte Frau die Fotos selbst zur Verfügung gestellt habe. Die Würde des Menschen sei ein persönlicher Achtungsanspruch, über den jeder frei disponieren könne. Der Artikel sei auch nicht diskriminierend. Der Hinweis auf die russische Nationalität ergebe sich schon aus zwei wortgetreu wiedergegebenen Zitaten der Freundin des Opfers und eines Polizeisprechers. Außerdem habe die Öffentlichkeit ein begründetes Interesse daran, die Nationalität zu erfahren: Russische Staatsbürger könnten infolge des Überfalls auf die Ukraine viele Länder nicht mehr ohne Weiteres bereisen. Trotzdem habe die Russin sich sofort nach Malaysia abgesetzt. Ohne den Hinweis auf ihre Nationalität werde nicht deutlich, wie erstaunlich diese Flucht in Zeiten von Sanktionen gegen russische Staatsbürger sei. - Der Beschwerdeausschuss erteilt der Redaktion eine öffentliche Rüge. Denn die Veröffentlichung der beiden – sehr drastischen – Bilder überschreitet deutlich die Grenze zu einer unangemessen sensationellen Darstellung im Sinne der Pressekodex-Ziffer 11. Zumindest in dieser Form wären die Fotos zum Verständnis des Sachverhalts nicht notwendig gewesen. Außerdem verstößt der Artikel gegen Ziffer 12 (Diskriminierungen): Die Angabe der Nationalität – vor allem auf sehr plakative Art in der Überschrift – ist nicht von einem begründeten öffentlichen Interesse gedeckt und kann zur Bildung von Ressentiments gegenüber russischen Staatsbürger/innen beitragen.