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Schleichwerbung als Strategie

Beitrag ist nicht durch ein öffentliches Interesse gedeckt

Die Online-Ausgabe eines Nachrichtenmagazins veröffentlicht einen Beitrag unter der Überschrift „Bis zu 44 Prozent auf Listenpreise: Lange Nacht bei Autohaus …“. Die Redaktion nennt den vollständigen Namen des Unternehmens. Sie informiert über eine zurückliegende „lange Nacht der Jahreswagen“ in dem Autohaus. Aktion und Angebot werden ausführlich beschrieben. Das Magazin weist auch auf eine geplante weitere Aktion hin. Es merkt an, dass der Beitrag von einem externen Unternehmen stammt und nicht von der Redaktion überprüft worden ist. Ein Leser des Magazins sieht in der Veröffentlichung einen Fall von Schleichwerbung. Sie enthalte werbliche Aussagen, die nicht durch ein öffentliches Interesse begründet sind. Der Chefredakteur des Magazins teilt mit, das beanstandete Thema sei für sein Unternehmen und rund 80 Partnermedien von strategischer Wichtigkeit. Wenn die deutschen Inhalteanbieter nicht durch Schaffung reichweitenstarker Plattformen eine gewisse „kritische Masse“ aufbrächten, würden sie im Wettbewerb mit den US-Giganten wie Google, Amazon oder Facebook bei der Werbevermarktung bald keine relevante Rolle mehr spielen können. Wenn der Presserat dem Magazin als dem Organisator einer solchen Plattform presseethische Pflichten auferlege, die man nicht erfüllen könne, könnte dies eine ökonomisch zwingende Entwicklung behindern. Der Chefredakteur stellt die Frage, warum sein Magazin als Betreiber der Publisher-Plattform eine presseethische „Haftung“ treffen solle, die bei Facebook oder Twitter niemand in Betracht ziehen würde. Fazit des Chefredakteurs: Das Magazin verbreite neben eigenen journalistischen Beiträgen auch Inhalte von Drittquellen, die als solche eindeutig kenntlich gemacht würden und für die dann die Ursprungsquelle die rechtliche und presseethische Verantwortung trage. Das Plenum des Presserats trifft im Zusammenhang mit der vorliegenden Beschwerde im Hinblick auf die Verantwortlichkeit einer Redaktion für von dritter Seite zugelieferte Beiträge folgende Grundsatzentscheidung. Veröffentlichen Redaktionen journalistische Inhalte von Dritten auf ihren Online-Plattformen, liegt die presseethische Verantwortung für diese Inhalte bei der für die Plattform verantwortlichen Redaktion. Die vorliegende Beschwerde wird zur Entscheidung an den zuständigen Beschwerdeausschuss zurückverwiesen. Die Rechtsvertretung des Nachrichtenmagazins weist darauf hin, dass der Beschwerdeausschuss nach ihrer Auffassung für die Behandlung der Beschwerde nicht zuständig ist.