Gezwungen, nackt über die Straße zu gehen
„Freund“ dokumentiert seine Tat mit einem Video im Internet
Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung berichtet über einen „fiesen Frauenhasser“ aus New York unter der Überschrift „Sieben Jahre Knast für mieses Rache-Video“. Der Mann habe seine Freundin misshandelt und nackt auf die Straße geschickt. Dafür hätte ihn ein Gericht zu einer hohen Gefängnisstrafe verurteilt. Die Zeitung zeigt ein verschwommenes Foto der nackten Frau. Es ist ein Screenshot (Bildschirmfoto) aus dem Video, das der Mann während seiner Tat anfertigte. Die Zeitung berichtet, der Mann habe seiner Freundin gedroht, ihr mit einer schweren Buddha-Statue den Schädel zu zertrümmern, wenn sie sich nicht ausziehe und nach draußen gehe. Dann habe er gefilmt, wie sie bei Eiseskälte nackt über den Bürgersteig gelaufen sei. Der Angeklagte habe sich noch über sein Opfer lustig gemacht und das Video im Internet verbreitet. Die Frau sei nach Florida umgezogen. Sie habe ihr Aussehen verändert, um ein neues Leben zu beginnen. Eine Leserin der Zeitung sieht in der Veröffentlichung des Fotos des unbekleideten Opfers einen massiven Verstoß gegen presseethische Grundsätze. Durch die bildliche Darstellung werde das Opfer erneut in seiner Menschenwürde verletzt. Die Redaktion werde wohl kaum die Einwilligung des Opfers eingeholt haben. Auch die Information über das Alter bei gleichzeitiger Nennung des Wohnortes vereinfache die Identifizierung des Opfers, das sich eigentlich ein neues Leben habe aufbauen wollen. Die Verbreitung des Bildschirmfotos aus dem Video gehe über das öffentliche Interesse und das Informationsinteresse des Lesers hinaus. Die Berichterstattung und das Bild unter gleichzeitiger Verurteilung der Tat als „mieses Rachevideo“ vermittelten bei Menschen mit niedriger Medienkompetenz den Eindruck, diese Art der Berichterstattung sei normal. Nach Auskunft des Chefredakteurs habe sich die Redaktion bewusst nur zur Veröffentlichung des Fotos und nicht des ganzen Videos entschlossen. Die Frau sei durch die Art der Darstellung nicht identifizierbar. Zudem habe sie – wie im Beitrag beschrieben – inzwischen ihren Wohnort und ihr Aussehen verändert. Das bewusst ausgewählte Foto dokumentiere – so der Chefredakteur abschließend – eine schreckliche Tat, ohne die Betroffene in irgendeiner Weise zu verletzen.