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Mutmaßlicher Täter als „Ausländer“ bezeichnet

Redaktion sieht presseethische Grundsätze durch Beitrag nicht verletzt

Eine Regionalzeitung berichtet online, dass ein bisher unbekannter Ausländer nach Angaben der Polizei einen 28-jährigen Deutschen mit einer Stichwaffe verletzt habe. In der Meldung wird der mutmaßliche Täter durchgehend als „Ausländer“ bezeichnet, das Opfer durchgehend als „Deutscher“. Die Redaktion stellt an das Ende der Meldung einen Zeugenaufruf der Polizei. Eine Leserin der Zeitung spricht von einer tendenziösen Berichterstattung, die die ausländische Herkunft des mutmaßlichen Täters und die deutsche Abstammung des Opfers gleich in der Überschrift hervorhebe und somit zur Hetze gegen Ausländer einlade. Sie sieht dadurch Richtlinie 12.1 des Pressekodex (Berichterstattung über Straftaten) verletzt. Der Chefredakteur weist den Vorwurf zurück. Der Kodex enthalte kein Verbot, die Zugehörigkeit von Straftätern und Verdächtigen zu Minderheiten zu erwähnen. Er verpflichte die Redaktion jedoch, in jedem einzelnen Fall verantwortungsbewusst zu entscheiden, ob für die Nennung einer Gruppenzugehörigkeit ein begründetes öffentliches Interesse vorliegt oder die Gefahr der diskriminierenden Verallgemeinerung überwiegt. Diese Entscheidung habe man in diesem Fall verantwortlich getroffen und sich dazu entschieden, die Gruppenzugehörigkeit des mutmaßlichen Täters zu nennen. Am Verlagsort sei es wiederholt zu gewalttätigen Konflikten zwischen Ausländern und Deutschland gekommen. Mit Blick darauf, dass die Polizei die entsprechende Information selbst bekanntgegeben und auch online verbreitet habe, habe die Mitteilung schon aus diesem Grund Nachrichtenwert erlangt.