15 Morde aus der Sicht des Amokläufers
Beschwerde: Animation macht die Getöteten erneut zu Opfern
In der Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung wird eine 3-D-Animation veröffentlicht, die den Leser in die Lage versetzt, den Weg des Amokschützen von Winnenden durch die dortige Albertville-Realschule nachzuvollziehen. Zur Animation gestellt ist ein Artikel unter der Überschrift „Blutspur des Grauens“. Eine Nutzerin sieht einen Verstoß gegen Ziffer 11 des Pressekodex (Sensationsberichterstattung, Jugendschutz). Danach soll auf unangemessen sensationelle Darstellungen von Gewalt, Brutalität und Leid verzichtet werden. Das Video verzichte zwar auf die in Computerspielen üblichen blutigen Details, mache aber die Getöteten allein durch die verwendete Täterperspektive à la Counterstrike erneut zu Opfern. Die Rechtsabteilung der Zeitung hält die Berichterstattung in all ihren Formen angesichts des außerordentlich hohen Informationsinteresses der Öffentlichkeit für gerechtfertigt. Dabei seien die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen sorgsam abgewogen worden. Gewissenhaft seien die Fakten vor ihrer Veröffentlichung geprüft worden. Den Vorwurf, durch die Animation würden die Getöteten erneut zu Opfern gemacht, weist die Zeitung zurück. Es gehe dabei um eine grafisch aufbereitete Information über den Weg des Täters durch die Schulräume. Die Art der Darstellung sei bewusst statisch und monoton gewählt worden, damit jegliche verletzende Assoziation vermieden werde. Das Recht, die technischen Möglichkeiten des Internets auch journalistisch nutzen zu können, würde unzulässig eingeschränkt, wenn jede speziell auf das Internet zugeschnittene Form der Informationsvermittlung allein wegen ihrer Ähnlichkeit zu Computerspielen als unzulässig gelten würde. (2009)