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„Würde Betroffener massiv verletzt“

3-D-Animation zeichnet „Blutspur des Grauens“ in Winnenden nach

Mit einer 3-D-Animation zeichnet die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung den mörderischen Weg des Amokläufers von Winnenden durch seine Schule nach. Die Opfer werden als schwarze Gestalten dargestellt. Der Name des oder der Ermordeten wird in einem Kasten eingeblendet. Zur Animation gehört ein Beitrag, der die „Blutspur des Grauens“ nachzeichnet. Darin heißt es: „Auf dem Flur begegnen ihm die Lehrerinnen Nina M. (24) und Michaela K. (26), auch sie müssen sterben. Offen ist, ob die beiden Frauen versucht haben, sich dem Wahnsinnigen in den Weg zu stellen. Eigentlich hätten sie in ihren Klassen sein müssen“. Ein Leser der Zeitung sieht in dem Beitrag presseethische Grundsätze verletzt. Die Analogie der Animation, die den Gedanken an ein Computerspiel nahe lege und zudem keinen gehaltvollen Informationswert aufweise, verstoße gegen den Pressekodex. Die Rechtsabteilung der Zeitung hält die Berichterstattung in allen verwendeten Darstellungsformen durch ein außerordentlich hohes Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit für gerechtfertigt. Die Redaktionen in Print und Online hätten verantwortungsbewusst berichtet. In der Öffentlichkeit seien im Zusammenhang mit der Tragödie viele Fragen gestellt worden, die die Presse habe beantworten müssen. Die Redaktionen hätten von ihrem Recht Gebrauch gemacht, zulässige Stilmittel und technische Möglichkeiten des Internets zu nutzen. Die notwendige Abwägung mit den Persönlichkeitsrechten und die Prüfung der Fakten sei gewissenhaft vorgenommen worden. Die Grenze zur unzulässigen Darstellung sei nicht überschritten worden. Die Rechtsabteilung weist den Vorwurf zurück, dass das Video durch die verwendete Täterperspektive die Getöteten erneut zu Opfern mache. Durch die monotone und sehr statische Aufmachung solle gerade jede verletzende Assoziation vermieden werden. Das Recht, die technischen Möglichkeiten des Internets auch journalistisch nutzen zu können, würde unzulässig eingeschränkt, wenn jede speziell auf das Internet zugeschnittene Form der Informationsvermittlung allein wegen ihrer Ähnlichkeit zu Computerspielen als unzulässig gelten würde. (2009)