Nennung des Täternamens war gerechtfertigt
Winnenden: Identifizierung wäre auch bei Anonymität möglich gewesen
„Amoklauf: Die Unkultur der Verantwortungslosigkeit“ überschreibt eine Regionalzeitung einen Kommentar zur Tragödie von Winnenden. Thema ist das Versagen der Gesellschaft, die Tat zu verhindern. In dem Beitrag heißt es: „Von diesem kollektiven Versagen kann sich niemand freisprechen. Das zeigt auch wieder der Fall Tim Kretschmer.“ Ein Leser der Zeitung sieht in der Nennung des vollständigen Namens des Amokläufers einen Verstoß gegen Richtlinie 8.1 des Pressekodex (Nennung von Namen/Abbildungen). Der Täter sei eindeutig identifizierbar. Der Verstoß sei deshalb besonders schwerwiegend, da es sich um einen Jugendlichen handele. Nach Auffassung des Chefredakteurs der Zeitung ist die Nennung des Namens durch Richtlinie 8.1 des Pressekodex abgedeckt. Auf der einen Seite stehe dem 17-Jährigen unzweifelhaft der besondere Schutz Jugendlicher vor Identifizierung zu. Nach sorgfältiger Abwägung habe jedoch angesichts des außerordentlichen Verbrechens das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwogen. Bei der Namensnennung seien zudem die in Richtlinie 8.1 (Absatz 4) erfüllt, nachdem es sich um ein Kapitalverbrechen handele, das unter den Augen der Öffentlichkeit begangen worden sei. Angesichts der Monstrosität des Verbrechens und der Suche nach den Ursachen der Tat, wäre es nicht richtig gewesen, den Täter zu anonymisieren. Die Anonymisierung wäre nur eine scheinbare gewesen, da der Amokläufer in allen Medien im Bild gezeigt worden und von den meisten auch namentlich genannt worden sei. Auch ohne Namensnennung wäre die Identifizierung einfach gewesen. (2009)