Opfer als „attraktive Schülerin“ bezeichnet
Hervorhebung eines einzelnen Schicksals nicht zulässig
„Der erschütternde Bericht einer Schülerin: ´Ich sah meine Schulfreundin Chantal sterben´“ – so ist ein Bericht der Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung über den Amoklauf von Winnenden überschrieben. Dem Artikel beigestellt ist ein großes Foto der Ermordeten. Ein Nutzer der Online-Ausgabe sieht in dem Beitrag einen Verstoß gegen Richtlinie 8.1 des Pressekodex. Die Abbildung eines minderjährigen Opfers, das als „attraktive Schülerin“ bezeichnet wird, habe keinerlei Nachrichtenwert und sei für die gesamte Berichterstattung unerheblich. Die Rechtsabteilung der Zeitung hält die Berichterstattung und die dafür gewählten Darstellungsformen wegen des außerordentlich hohen Informationsinteresses der Öffentlichkeit für gerechtfertigt. Den Vorwurf der identifizierenden Berichterstattung weist die Zeitung zurück. Der Pressekodex legt fest, dass diese „in der Regel“ zu unterbleiben habe. Winnenden sei aber kein Regelfall gewesen. Die Rechtsabteilung beruft sich auf die „besonderen Begleitumstände“, die eine Darstellung der Opfer in der hier vorliegenden Form rechtfertigten. Auch die Bezeichnung eines der Opfer als „Attraktive Schülerin“ verletze keine presseethischen Grundsätze. Der Ausdruck stelle vielmehr eine positive Beschreibung dar, die keine Anstandsgrenze überschreite. (2009)