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Sieben Nackte vor dem “Altar”

Provokation nicht in einer Klosterkapelle, sondern in Sektenraum

Sieben Personen liegen nackt vor einem Altar. Im Text berichtet eine Regionalzeitung über die Erstürmung einer Klosterkapelle während eines Neujahrsgottesdienstes. Es ist von einer Protestaktion gegen das Kondomverbot des Papstes die Rede. Die Zeitung hat Bild und Text von einer weithin unbekannten Agentur übernommen. Ein Leser hält die Meldung zum Bild für falsch. Das Foto sei in der Kapelle einer Sekte aufgenommen worden, der ein nicht geweihter Pater vorstehe, der sein Geld mit Beerdigungsansprachen verdiene. Der Beschwerdeführer, der sich an den Deutschen Presserat wendet, teilt mit, dass eine Boulevardzeitung ebenfalls über den Vorgang berichtet, die Erstmeldung jedoch aufgrund der Darstellung des Erzbistums korrigiert habe. Die Regionalzeitung, um die es in dieser Beschwerde geht, habe ihren Beitrag jedoch nicht richtig gestellt. Der Leser wirft der Zeitung vor, sie habe die journalistische Sorgfaltspflicht verletzt. Zudem liege eine Verletzung religiöser Gefühle vor. Die Chefredaktion der Zeitung meint, für eine Nachrecherche des auf dem Agenturserver der Zeitung gelandeten Beitrages hätte kein Anlass bestanden, da durch die Berichterstattung nicht in die Persönlichkeitsrechte Dritter eingegriffen worden sei. Es spiele eine untergeordnete Rolle, ob die Aktion in einer katholischen Klosterkapelle oder – wie nachträglich herausgestellt – im Versammlungsraum einer Sekte stattgefunden habe. Dies ändere weder an der Nacktheit der abgebildeten Personen noch an der übermittelten Botschaft etwas. Die Chefredaktion weist mit Nachdruck den Vorwurf zurück, die Zeitung habe Religionsbeschimpfung betrieben. Zwar seien eindeutig die Grenzen des guten Geschmacks überschritten und religiöse Gefühle verletzt worden. Dennoch müsse es gestattet sein, über eine solche Provokation zu berichten. (2006)