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Nationalität des Amokläufers genannt

Furchtbare Tat machte ihn zur relativen Person der Zeitgeschichte

„Blutrausch nach Mord an Freundin“ – titelt ein Boulevardblatt, das einen Amoklauf im US-Bundesstaat Virginia schildert. Auf der Titelseite wird ein Foto des Amokläufers gezeigt. Die Zeitung nennt sein Alter und außerdem sein Herkunftsland Korea. Eine im gleichen Verlag erscheinende Regionalzeitung berichtet unter der Überschrift „23-jähriger Koreaner war der Amokschütze“. Im Beitrag wird das Foto des Mannes gezeigt, sein voller Name wird genannt. Ein Leser kritisiert beide Veröffentlichungen und wendet sich an den Deutschen Presserat. Er stört sich in beiden Fällen an der Nennung des Landes, aus dem der Täter kommt. Für das Verständnis des berichteten Vorganges gebe es keine Veranlassung, die Herkunft zu nennen. Die Tat hätte ebenso gut von dem Angehörigen einer anderen Nationalität begangen werden können. Zudem habe der Tatverdächtige den größten Teil seines Lebens in den USA verbracht. Die Erwähnung der Nationalität könne Vorurteile gegenüber Südkoreanern als Minderheit schüren. Die Rechtsabteilung des Verlages nimmt im Namen beider Zeitungen zu den Beschwerden Stellung. Sie sieht keinen Verstoß gegen den Pressekodex. Die Nennung der Nationalität sei in diesem Fall sachlich geboten. Zu berücksichtigen sei, dass es sich bei der Tat nicht um ein Alltagsdelikt, sondern um einen Amoklauf mit 32 Toten und 29 Verletzten gehandelt habe. Es sei legitim, dass sich das besondere öffentliche Interesse auf den Täter richte. Die ethnische Herkunft des Täters sei von Anfang an ein wichtiger Anhaltspunkt bei der Ermittlung und der Identität des Schützen gewesen. Es sei nicht erkennbar, dass die Gefahr bestehe, Vorurteile gegen Koreaner als Minderheit zu schüren. Amokläufe würden nicht typischerweise mit Menschen einer bestimmten Nationalität oder einer bestimmten ethnischen Zugehörigkeit verbunden, sondern seien in der Regel das Werk fehlgeleiteter Einzelgänger. (2007)