Resozialisierung eines Mörders gefährdet
Unverfälschtes Täter-Foto nach zwei Jahrzehnten veröffentlicht
Eine Boulevardzeitung berichtet in einer Großstadt-Teilauflage über die schwerwiegendsten Kriminalfälle im Verbreitungsgebiet. Es geht auch über den Mordfall von Lutz R., der vor rund zwanzig Jahren zwei Frauen tötete und ihre Leichen in zwei Säurefässern im Garten vergrub. Die Zeitung zeigt Lutz R. unverfälscht im Bild und schreibt darunter: „ Lutz R., stechend blauer Blick, Fistelstimme, extrem habgierig, sado-masoschistisch veranlagt. Mit Frauen kann er nur verkehren, wenn er sie ankettet. Er sitzt (im Gefängnis) lebenslänglich plus Sicherheitsverwahrung“. Die Rechtsanwälte von Lutz R. sehen die Ziffern 1, 2, 4, 8 und 13 des Pressekodex verletzt. Nach ihrer Ansicht sei der Beitrag unsachlich und reißerisch. Sie zitieren den Einleitungssatz des Berichtes: „Die Salzsäure gluckerte langsam ins tiefe Fass. Er brauchte mehrere Kanister, bis alle Leichenteile bedeckt waren. Dann machte der Mörder den Deckel zu und reinigte seine Fleischersäge. Er lächelte, er hatte es genossen. Den Rest würde die Säure für ihn erledigen. Keine Leiche, keine Frage – so einfach kann ein Mord sein. Und das nicht nur einmal…“ Die Rechtsvertretung kritisiert, dass es sich bei dieser Passage um eine erfundene Behauptung handele, die in keinem Urteil festgestellt worden sei. Die Artikel-Einführung sei reine Fiktion, um Lutz R. herabzuwürdigen und ihn als eine Art Monster darzustellen. Zudem lägen die Taten bereits mehr als zwanzig Jahre zurück. Die Veröffentlichung des Fotos und des wenig verfremdeten Namens seien für die Eingliederung von Lutz R. sowie im Hinblick auf Vollzugslockerungen und mögliche Strafaussetzungen nicht dienlich. Die Rechtsvertretung wirft der Zeitung Stimmungsmache vor, um diese Vorhaben zu hintertreiben. Die Rechtsvertretung der Zeitung nimmt zu den Vorwürfen keine Stellung. Sie beantragt, die Behandlung der Beschwerde auszusetzen, weil die Entscheidung des Presserats allein der Durchsetzung eines Entschädigungsanspruches dienen solle. Später nimmt die Rechtsvertretung der Zeitung zu den Vorwürfen Stellung, die sie für unbegründet hält. Über Tat und Täter sei seinerzeit bundesweit identifizierend berichtet worden. Der Fall sei Rechtsgeschichte geworden, weil der Prozess außergewöhnlich und spektakulär gewesen sei. (2009)