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Foto der toten Lea-Sophie veröffentlicht

Zeitung erläutert ihre Überlegungen, das Bild abzudrucken

Eine Sonntagszeitung berichtet unter der Überschrift „Die Akte des Grauens“ über den Hunger-Tod der fünfjährigen Lea-Sophie und den bevorstehenden Prozess gegen ihre Eltern. Dem Bericht beigestellt sind zwei Fotos des Mädchens – eines zu Lebzeiten, das andere zeigt das tote, verhungerte Kind. Im Text heißt es, die Redaktion habe lange diskutiert, ob es richtig sei, dieses Foto zu zeigen. Man habe sich zum Abdruck entschieden, damit derartiges nicht wieder passiere. Ein Leser hält die Veröffentlichung des Fotos für Sensationsmache. Sie verletze die Menschenwürde der Verstorbenen, die über den Tod hinaus fortwirke. Er sieht Ziffer 1 des Pressekodex (Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde) verletzt. Die Rechtsabteilung der Zeitung hält dem Beschwerdegegner entgegen, er habe sich mit den Überlegungen der Redaktion nicht auseinandergesetzt. Darin seien die Beweggründe, das Foto zu veröffentlichen, ausführlich dargelegt worden. Es sei der Redaktion nicht um Sensationsmache gegangen, sondern darum, die Öffentlichkeit wahrhaftig zu unterrichten. Die Zeitung erinnert an das „vermutlich eindringlichste Foto der Pressegeschichte“. Das Bild aus dem Vietnam-Krieg zeigte fliehende, weinende, teilweise nackte und vom Napalm verletzte Kinder. Wenn die Eltern von Lea-Sophie und ihr Anwalt ein falsches Bild der Ereignisse zeichneten, müsse dies ausnahmsweise durch ein Fotodokument korrigiert werden können. (2008)