Detailliert über Familiendrama berichtet
Beteiligte waren für einen gewissen Personenkreis erkennbar
Unter der Überschrift „Und bist du nicht willig“ berichtet eine Großstadtzeitung über die Auswirkungen der Ehescheidung eines Elternpaares auf die neunjährige Tochter. Dabei wird – bei veränderten Namen – detailliert berichtet, welche Regelungen das Gericht insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Vaters mit dem Kind getroffen hat und wie die Umsetzung dieser Regeln sich in der Familie zu einem Kampf entwickelte. In allen Einzelheiten schildert die Zeitung, wie die Tochter sich zunehmend dem Kontakt mit dem Vater verweigerte und ihn letztlich vollständig ablehnte. Aus dieser Situation resultierte schließlich die Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie. Aus dem Beitrag sprechen eine Ablehnung der Autorin gegenüber der Haltung des Vaters und eine gewisse Sympathie mit der Mutter. Der Anwalt des Vaters kritisiert die Berichterstattung und wendet sich an den Deutschen Presserat. Die Zeitung habe einseitig berichtet. Dabei erscheine er durchgehend negativ und als schlechter, selbstsüchtiger und durch die Andeutung in der Überschrift sogar als brutaler Vater, während seine Ex-Frau nur als fürsorgliche, um das Wohl des Kindes bemühte Frau dargestellt werde. Trotz der Veränderung der Namen sei die Familie für ihr engeres Umfeld erkennbar. Dies verletze sowohl seine als auch die Persönlichkeitsrechte seiner Tochter. Der Beitrag sei ihm gegenüber vorverurteilend und durch die detaillierte Ausbreitung privater Angelegenheiten in der Öffentlichkeit äußerst schädlich für die Entwicklung des Kindes. Ein öffentliches Interesse an seiner persönlichen Geschichte und der seiner Familie gebe es nicht. Die Rechtsabteilung der Zeitung bestreitet den Vorwurf, mit der Story gegen presseethische Grundsätze verstoßen zu haben. Weder habe die Redaktion nachlässig recherchiert noch habe sie sich einer Vorverurteilung schuldig gemacht. Bewusst habe sie darauf verzichtet, die geschilderten Personen erkennbar darzustellen. Die Autorin ergänzt, es habe sich nicht um eine Geschichte über ein Scheidungspaar und sein Kind, sondern um die Schilderung des Verhältnisses des Staates zu Familien in Trennungssituationen gehandelt. Es gehe um ein Kind, das nach der Trennung der Eltern nicht zu seinem Vater wollte und allein deshalb in Obhut genommen worden sei. Diese gesellschaftliche „Unsitte“ sei von erheblichem öffentlichem Interesse. Die Geschichte lebe von persönlicher Authentizität und Anschaulichkeit, ohne die Personen erkennbar zu machen. Die Verfasserin des Artikels räumt ein, dass sich der Eindruck von Subjektivität und Parteinahme nicht ganz vermeiden lasse, was am Auftreten der Eltern liege und an der Tatsache, dass die Interessen von Mutter und Kind identisch seien. (2007)